Wahrnehmung und Wahrheit

Im Allgemeinen gehen wir davon aus, dass, was wir wahrnehmen, auch der Wahrheit entspricht. Doch Wahrnehmung ist selektiv, subjektiv, geschieht z.T. unbewusst, wird gefiltert und zudem auf der Basis bisheriger Erfahrungen, die u.a. von unserer Biografie und unserem Erkenntnisstand abhängen, interpretiert. Kurzum: Alles ist relativ, eine Frage der Perspektive. Das Glas halb voll oder halb leer. Erschaffen wir (unsere) Realität selbst? Gibt es überhaupt so etwas wie Wahrheit? Eine objektive Wahrheit in einer sich ständig wandelnden Welt? Worauf ist Verlass, wenn nicht auf die eigene Wahrnehmung? Reicht es zu meditieren, im ewigen Urgrund zu verweilen – da nur dort die "echte" Wahrheit erfahren werden kann – und sich in dem "Was-Ist" treiben zu lassen? Was aber, wenn es Probleme gibt, die uns den Alltag vermiesen? Wenn wir uns z. B. durch eine negative Selbstwahrnehmung blockieren und unsere blinden Flecken, Strukturen, Schatten nicht erkennen. Zum Tunnelblick neigen und die rosarote Brille oder eine mit getrübten Gläsern tragen? Wollen wir uns der (relativen) Wahrheit nähern, brauchen wir ein großes Maß an gesunder Selbsteinschätzung, Erkenntnis und (relativ) objektiver Wahrnehmung. Der Integrale Ansatz von Ken Wilber ist ein sehr gutes "Hilfsmittel", um Wahrnehmung einzuordnen und zu schulen und Wahrheit ganzheitlich und möglichst umfassend (neu) zu verstehen.



Probleme oder Phänomene?

In Wahrheit gibt es gar keine Probleme! Diese sogenannten "echten Probleme", unter denen wir so gerne leiden, die gibt es eigentlich gar nicht.  Von Vandan Ulf Münkemüller, HP (Psych.), Bielefeld

Natürlich gibt es Herausforderungen, Dinge die gelöst werden wollen, Dinge die auch lösbar sind. Das können technische Sachen sein, finanzielle oder auch zwischenmenschliche. Hier können wir mit Herz und Verstand immer einen guten Weg finden, und wenn uns das wieder einmal gelungen ist, fühlen wir uns wohl in unserer Haut und sind mit einer Art gesundem Stolz erfüllt. Die Art von Problemen, die uns über lange Zeit beschäftigen, manchmal unser Leben lang, diese Probleme gibt es in Wahrheit gar nicht! Es gibt nur Phänomene! Schwäche, Trauer, Angst, Schmerz, Vergänglichkeit, Alter und Tod und unsere Hilflosigkeit, angesichts dieser nicht zu leugnenden Tatsachen unseres Lebens sind Phänomene unseres Menschseins. Jeder von uns hat sich im Laufe seines Lebens mit diesen Phänomenen zu beschäftigen, darin liegt ein wesentlicher Sinn unseres Lebens. Und obwohl leicht erkennbar ist, dass es sich hier um unvermeidbare Tatsachen handelt, versucht ein Teil unserer Psyche dennoch, diese Dinge zu vermeiden. Und an dieser Stelle werden aus Phänomenen Probleme! Wenn wir lernen, uns diesen Phänomenen liebevoll zu widmen, wenn wir unser reflexhaftes und automatisiertes Kämpfen erkennen und beenden,
werden wir friedlich und kommen nach Hause. Ja, manchmal wird es uns schütteln vor Angst, manchmal werden wir weinen wie ein kleines Kind, und es wird Momente geben, in denen wir fassungslos vor unserem Leben stehen. Wenn wir dies alles einfach bejahen, ist alles gut!


Pferde als Spiegel Deines Selbst

Je mehr wir in alten Konditionierungen gefangen sind, desto kleiner und enger wird das Guckloch, durch welches wir die Welt sehen.  Von Katja Dors, HP, Bielefeld

Manche Menschen sind zufrieden mit diesem Ausschnitt. Andere fühlen sich mit diesem Guckloch eng und eingesperrt. Sie sehnen sich danach, die ganze Welt, das ganze Universum zu sehen. Diese Sehnsucht ist so groß, dass sie sich auf die Suche begeben und an die Arbeit machen. Doch wie gelingt es, das Guckloch zu vergrößern? Etwas tun, bei dem wir größer sein müssen als wir sind. Die Gefängnistür von außen öffnen und dabei selbst noch drinnen sitzen. Wir brauchen Unterstützung, einen Spiegel, in dem wir uns selbst erkennen können. Eine Möglichkeit ist zu verstehen; welche Mechanismen dazu führen, das Guckloch doch wieder klein werden zu lassen. Wenn wir das verstanden haben, brauchen wir Disziplin und Übung und eine große Portion Mitgefühl für uns selbst, wenn wir mal wieder in die alte Falle getappt sind. Eine andere Möglichkeit ist, alte Konditionierungen ganz direkt im Kontakt zu fühlen und dann sofort neue Lösungen zu erfahren, zu erfühlen und zu erleben. Und diese erlebten alten Konditionierungen und neuen Lösungen prägen sich tief ein – eben weil sie erfahren wurden. Pferde können Spiegel für uns sein. Und noch viel mehr, denn sie spiegeln uns nicht nur, sondern gehen mit uns in einen ebenso aufrichtigen wie bewegenden und dadurch heilenden Kontakt. Warum tun sie das? Und warum haben sie diese Fähigkeit? Pferde sind Fluchttiere, sie müssen ständig ganz präsent im Augenblick sein, jederzeit bereit zu fliehen. Pferde sind Meister in der Wahrnehmung, sie scannen ihre Umgebung ständig ab und reagieren darauf. Sie brauchen diese Fähigkeit zum Überleben. Pferde können einen hungrigen von einem satten Löwen unterscheiden, vor einem satten Löwen rennen sie nicht weg. Was passiert, wenn wir am Boden mit einem Pferd in Kontakt gehen? Ein Pferd beachtet nicht das, was Du glaubst sein zu müssen, sondern es nimmt Deinen ganzen authentischen Kern wahr. Das, was Du wirklich bist hinter dem, was Du gelernt hast zu sein. Ein Pferd geht sofort in Kontakt mit dem authentischen Teil Deines Selbst, Du kannst ihn plötzlich spüren, fühlst dich lebendig – und kannst das Guckloch ein Stück weiter öffnen. Das Herz eines Pferdes ist ca. vier Mal so groß wie das eines Menschen. Und es ist offen für Dich und nimmt Dich so an wie Du bist, ohne zu urteilen oder zu bewerten oder eine Absicht zu verfolgen. Vielleicht ist das der Grund, warum viele Menschen diese Rückmeldung besser annehmen können als von einem Menschen. Eponaquest-Seminare mit Pferden sind auch für Menschen geeignet, die gar keine Pferdeerfahrung haben. Es wird nicht geritten, alle Übungen finden vom Boden aus statt in einem sicheren, geschützten Raum. Wer zu viel Angst vor großen Pferden hat, kann auch mit kleinen Ponys arbeiten.


Schenken

Als kleines Kind verschenkte ich, mit vollen Händen, freigiebig, alle Schätze, die ich hatte, und ich freute mich.  Von Alma Katrin Wagener

Für mich gab es nur meine Wahrheit ... und die Welt. Nach vielen Phrasen wie: „… ach, nein, ich brauch das nicht, behalt das lieber mal für dich, sonst hast du selbst am Ende nichts ...“, fragte ich mich: „.Ist schenken falsch?“ Und ich verstand es nicht. Und niemand nahm mich an die Hand, um mir von Herzen zu erklären: Zu schenken, völlig unbeschwert, ist wunderbar und schön. Doch viele Menschen fühlen sich nicht wert, beschenkt zu sein und fürchten sich davor, ihr Herz würde so weit und groß wäre ihr Schmerz, denn die Fesseln um ihr Herz schnitten dann tief ins eigne Fleisch ... Und, ja, ich spürte diesen Schmerz, und ihnen wehtun wollt ich nicht, denn ohne sie leben konnt ich nicht ... Also begrenzte ich mein Herz, behielt die Schätze oft für mich ... Jetzt sitz ich hier im Mondenschein, ich, der spiegelglatte See und meine Wahrheit ganz allein, um auszuruhn ... Ich weiß, wie weh die Fesseln tun ... Und weiß, mein Herz ist stärker als die Grenzen aus Ängsten ... Jetzt schenk ich wieder frei und froh und ich vertraue, irgendwann befreit sich auch das Herz der Welt von seinem Schmerz ...


Ich bin in Ordnung

Die tiefste Wunde, die wir Menschen haben, fügen wir uns selber zu. Durch unsere Überzeugung, nicht in Ordnung zu sein, setzen wir uns ständig unter Druck, uns verändern und verbessern zu müssen.  Von Vandan Ulf Münkemüller, HP (Psych.), Bielefeld

Unser Glaube, so wie wir sind nicht in Ordnung zu sein, schafft einen andauernden Stress, der uns psychisch und körperlich krank macht und zudem unsere Beziehungen belastet und zer-stört. Wie natürlich gehen wir davon aus, dass auch die Anderen von unserem „Nicht-in-Ordnung-Sein“ überzeugt sind. Dabei ist es einzig und allein unsere eigene Überzeugung, die unser Leben sauer und dunkel macht. Psychologisch ist es verständlich, dass wir, im Rahmen unserer Sozialisation, gelernt haben, uns abzulehnen und anzupassen. Sich-Klein-Machen bringt Schutz und Sicherheit. Aber es bedeutet auch ein unbefriedigendes Leben unterhalb der eigenen Möglichkeiten. Dabei ist die Lösung meist so einfach: Stell dir einfach mal die Frage, ob die Behauptung, du seist nicht in Ordnung, der Wahrheit entspricht. Wenn du dies verneinen kannst, dann frag dich selber, was denn dann die Wahrheit ist. Und dann erinnere dich an diese Wahrheit, immer wieder und immer wenn du es brauchst ... Wenn du hingegen wirklich zutiefst von deinem Falsch-Sein überzeugt bist, such dir schnellstens
kompetente professionelle Hilfe ...


Becker, Volker J.: Am 8. Tag schuf Gott den Zweifel

Bewusstsein

Von tg

 

Auf der Suche nach der Wahrheit versucht Volker J. Becker, die Aussagen östlicher Mystiker, moderner Wissenschaftler sowie westlicher Philosophen und Theologen sinnvoll zu vereinigen.

Er sieht den Zweifel als eine spirituelle Gabe des Menschen an, "um vom einfachen Glauben zur unmittelbaren Erfahrung des Göttlichen vorzudringen und wirkliche Selbsterkenntnis zu erlangen." Themen: "Wie das Gehirn sein Ich erschafft", "Gott und die Evolution. Von Darwin bis Dawkins", "Gottes Wahrscheinlichkeit. Das Bayes-Theorem" ...

"Am 8. Tag schuf Gott den Zweifel" von Volker J. Becker, E-Book, Lotos Verlag, 176 Seiten.

Alles nur eine Frage der Perspektive

Es gab da mal diesen Werbespot eines Schuhproduzenten. Eine Frau erzählte von einem attraktiven Mann, dem sie vor Kurzem begegnet war. Dabei korrigierte sie immer wieder ihre Beschreibung seiner äußeren Erscheinung – er war sehr groß, nein, etwas kleiner, hatte helle, nein, dunkle Haare, einen Bart, nein, keinen usw. Aber seine Schuhe, die hatte sie in bester Erinnerung. Es waren ****-Schuhe. Ganz sicher.  Von tg

So oder so ähnlich. Ich kann mir diesen Werbespot nicht mehr hundertprozentig ins Gedächtnis rufen. Lief er im Radio oder im Fernsehen? Ich fand ihn jedenfalls genial und witzig. Und habe mir ein Paar ****-Schuhe gekauft.

 

Dieses kleine Beispiel zeigt, wie selektiv und verzerrt Wahrnehmung sein kann (und wie wir uns – durch andere Wahrnehmungen – beeinflussen lassen). Wir nehmen nur wahr, was wir sehen oder sinnlich erfahren wollen. Und können. Je länger etwas in der Vergangenheit zurückliegt, desto mehr dichten wir hinzu.

 

Aber auch in der Gegenwart haben wir unsere spezielle Brille auf. Filtern Aspekte der Wirklichkeit, beurteilen, glauben, meinen, denken, stellen falsche Zusammenhänge her, geben uns Illusionen hin, machen uns die Welt schön oder zeichnen sie in düsteren Farben. Der Tunnelblick fokussiert – und blendet aus. So kommt es allgemein zu einem Gemenge an Sichtweisen, Überzeugungen und Interessen. Das fängt im Kleinen an, beim Streit mit dem Nachbarn, setzt sich in der Politik fort, da jede Partei die einzig richtige Sicht auf aktuelle Probleme für sich beansprucht, und macht auch nicht bei Diskussionen über Sinn und Zweck der gesamten Existenz halt.

 

Nun, die Welt wird immer komplexer. Und mit ihr die Ausdeutung von Wahrheit. Das führt nicht selten zu Verdruss und zugespitzten Ansichten wie: „Jeder hat doch lediglich seinen eigenen Vorteil im Sinn und lügt, dass sich die Balken biegen. Ist doch so!“ Wem soll man noch glauben, außer sich selbst?

 

Die Mathematik des Biertrinkers

 

Eins steht fest: 1 + 1 = 2. Oder? Doch hilft die Mathematik im Alltag weiter? Wenn die Partnerin (fälschlicherweise) behauptet, man habe mindestens sechs Bier getrunken (dabei waren es höchstens sechs!) und wolle sich nur rausreden. Man hingegen verstimmt ist (und Bier trinkt), weil sie (offenkundig) ein Auge auf einen anderen (einfach nur widerlichen) Typen geworfen hat. Was sie (natürlich) vehement dementiert.

 

Sogar die auf Wahrheitsfindung spezialisierte Forschung enzieht uns immer mehr den Boden – Zeit und Raum sind krumm, Gott nicht existent, weil nicht zu finden. Freier Wille? Dreimal darf gelacht werden. Liebe? Alles Chemie, Biologie, Neurologie und wer weiß was noch. Man kriegt eine Allergie! Auf der Quantenebene kapituliert die Wissenschaft vollends. Dort geschehen Dinge, die es nicht geben dürfte. Das Chaos pur! Sieh hin – und schon verändert sich das Ergebnis. Immerhin ein Hinweis darauf, dass das Beobachtete und der Beobachter in einem gewissen Zusammenhang stehen. Daraus den Schluss zu ziehen, wir könnten uns die Realität nach unserem Geschmack zusammenbasteln, ist trügerisch. Mit dem freien Parkplatz mag das (zufällig) klappen. Aber versuchen Sie mal, einen Goldbarren aus dem Nichts vor Ihnen auf dem Tisch zu manifestieren. Bereits mit einer 10-Cent-Münze werden Sie scheitern.

 

Kosmische Adresse und Relativität

 

Kommen wir von wenig belastbaren esoterischen Ansichten zu fundierten spirituellen Weisheitslehren, die das Ego und das „Scheinkonzept“ der Dualität als das eigentliche Problem identifizieren. Nur Erleuchtung führt zur Wahrheit. Und drückt sich im tatsächlichen Leben als das „nichthandelnde Handeln des reinen Bezeugens“ (Ramesh S. Balsekar) aus. Wer in der Meditation in kausale oder nonduale Zustände eintaucht, ist von einem „Gefühl“ des Einsseins und der Gewissheit erfüllt, kostet den unbeschreiblichen Geschmack von Wahrheit, die Suche (nach ihr/nach Gott/nach sich selbst ...) ist vorbei.

 

Doch ist dies nun die absolute Wahrheit? Ist die Wahrnehmung eines Erleuchteten deshalb immer richtig und vollständig?

 

Ken Wilber hat derzeit dazu eine der schlüssigsten Antworten parat. Sein Integraler Ansatz soll uns darin unterstützen, uns und die uns umgebende Welt effizienter zu begreifen. Der Integrale Ansatz fast umfassend und einschließlich östliche Weisheitslehren, westliche Psychologie, Philosophie, Wissenschaft, Spiritualität, Religion und viele weitere Disziplinen, die sich mit unserem Sein beschäftigen, zu einer Integralen Landkarte zusammen, die in der Integralen Lebenspraxis konkrete Umsetzung findet – und zwar in allen gesellschaftlichen Bereichen.

 

Wie sieht die Integrale Landkarte aus? Was sagt sie uns in Bezug auf Wahrnehmung und Wahrheit?

 

Sie besteht aus fünf Komponenten: Quadranten (das Innere und das Äußere des Individuums und des Kollektiven), Linien (der Entwicklung), Ebenen/Stufen (der Entwicklung), Typen (z. B. männlich/weiblich), Zustände (z. B. des Bewusstseins).

 

Stellen wir uns die Integrale Landkarte mit ihren fünf Komponenten spaßeshalber und um der Vereinfachung willen als ein dreidimensionales Modell mit vier unterschiedlichen „Landschaften“ vor, nehmen wir ein Menschlein (z. B. einen Mann, der seine Emotionen schlecht kontrollieren kann), das sich gerade im Zustand des Grolls befindet, und stellen es an einen beliebigen Punkt, ein anderes Menschlein (z. B. eine spirituell weit entwickelte Frau), das gerade meditiert, an einen anderen Punkt, der höher gelegen ist und sich in einer der anderen Landschaften befindet. Wie würden beide die Welt um sich herum beschreiben? Wir können uns leicht vorstellen, dass die Schilderungen sehr unterschiedlich ausfielen (bereits wenn beide Menschlein sich auf der gleichen Party befinden, kann es konträre Einschätzungen einer Situation geben, Bier hin, Bier her).

 

Den eben beschriebenen Punkt auf der Integralen Landkarte bezeichnet Wilber als kosmische Adresse. Und erklärt dazu: “Also müssen wir, um die Existenz von nur auch irgendetwas im Universum lokalisieren zu können, sowohl die kosmische Adresse des Wahrnehmenden als auch die des Wahrgenommenen angeben.“ Und weil Integrale Landkarte und kosmische Adresse nicht statisch sind – wir erinnern uns: es geht auch und vor allem um Entwicklung – wird „alles absolut relativ zu allem“. Was bedeutet, „dass jedes Ding, bevor es irgendetwas anderes ist, eine Perspektive ist. Und das heißt, es gibt in der manifesten Welt keine Wahrnehmungen, sondern nur Perspektiven“.

 

Erleuchtete sind auch nur Menschen

 

Zurück zur Frage nach Wahrheit und der Wahrnehmung eines Erleuchteten. Da ein Erleuchteter auch ein Mensch ist (mancher denkt anders darüber), hat auch er eine kosmische Adresse. Befindet er sich im kausalen/nondualen Zustand, erfährt er die absolute Wahrheit des ewigen, zeitlosen Urgrunds. Bewegt er sich aber in der Welt, deutet und interpretiert er diese, hat er seine ganz eigene Perspektive, bzw. ist er eine (von vielen, sich ständig verändernden) Perspektiven. In der manifesten Existenz gibt es also (Erleuchtung hin, Erleuchtung her) nur relative Wahrheiten.

 

Doch ohne diese relative Wahrheit ist auch die absolute Wahrheit „nur“ die halbe Wahrheit (und der Begriff Erleuchtung bedarf einer neuen Definition). Berücksichtigen wir beides zusammen, kommen wir der „Beschaffenheit“ unseres (inneren und äußeren) Universums näher.

 

Was nun? Erstmal entspannen! Dann können wir unsere Zustandserfahrungen (z. B. durch Meditation) schulen und über eine integrale spirituelle Praxis lernen, in der Integralen Landkarte, die ohne unser Tun eine Theorie bleibt, zu navigieren und im Hier und Jetzt möglichst vielfältige Perspektiven einzunehmen (bzw. diese zu sein). Dabei können wir erfahren, dass Gott zeitlos und ewig ist und sich im evolvierenden Kosmos in all seiner manifesten Vielfalt durch uns und all unsere Sinne immer mehr selbst erkennt. So werden wir wohl der Wahrheit nie ganz auf die Schliche kommen. Aber wir werden (hoffentlich) mehr und mehr zu dem werden, was wir in Wahrheit sind: göttliche Wesen.

 

Verwirrt? Trinken Sie ein Bier (auf keinen Fall sechs!), lassen Sie los. Vielleicht sind wir ja völlig auf der falschen Spur, und irgendwann erzählt uns ein Typ namens Morpheus, die Welt, in der wir zu leben glauben, sei eine Simulation (Matrix) und bietet uns eine blaue und eine rote Pille an ...


Leben in einer komplexen Welt

Nimmt jemand zum ersten Mal an einem Satsang teil und stellt dem erleuchteten Meister beherzt die Frage: “Wie soll ich mich in dieser verflixt komplizierten, komplexen Welt zurechtfinden?“ wird er/sie höchstwahrscheinlich die Gegenfrage: „Wer will das wissen?“ erhalten und mitfühlendes Lächeln der abgeklärten Satsang-Gemeinde ernten. Trotzdem eine gute Frage! Die man sich und anderen – im „normalen“ Leben – weiter stellen sollte. Denn zur „ganzen Wahrheit“ gehört noch mehr als die wertvolle Selbsterfahrung der ursprünglichen menschlichen Natur.  Von tg

Beim Satsang geht es darum, durch das Zusammensein mit einem Erwachten bzw. Erleuchteten – auf kurzem Wege – außergewöhnliche Zustands- und Einheitserfahrungen zu machen, die man/frau sich sonst durch intensive Schulung und Praxis, etwa durch Meditation, aneignen muss. Kernpunkt ist die Suche nach dem wahren Selbst, die Erforschung der Frage „Wer bin ich?“, auf die alle weiteren Gegenfragen des Meisters abzielen, auch die: „Wer will das wissen?“. Absolutes Highlight ist das Eintauchen in die höchsten Zustände des kausalen und nichtdualen Gewahrseins, wo sich die Frage nach der wahren Identität und alle weiteren Fragen „im Nichts“ auflösen. Wir ruhen entspannt im Hier und Jetzt, in unserem Seinsgrund, dem göttlichen Urgrund, der Quelle (oder wie immer wir es nennen), erkennen und „wissen“ urplötzlich, wer wir in Wahrheit sind. In dieser befreienden ewigen, formlosen Leere voller Leichtigkeit und Einfachheit prallt der Gedanke einer komplizierten und komplexen Welt von uns ab, beziehungsweise dringt erst gar nicht zu uns durch oder zieht wie eine Wolke an uns vorüber. Bis sich – herzlich willkommen im Alltag! – das nächste Gewitter zusammenbraut.

 

Mensch sein und mit sich ringen

 

Zustandserfahrungen sind temporär. Auch ein Erleuchteter denkt, spricht und handelt (gelegentlich durchaus fragwürdig) im Diesseits, als Form in der Dualität. Hat eine persönliche Geschichte, bestimmte Wertvorstellungen, unbewusste Problemzonen, Sex und mitunter miese Laune, sieht fern, will Geld verdienen und wenig Steuern zahlen. Jede Menge Stoff für Verwicklungen in der „Illusion des Getrenntseins“.

Was sagt uns das? Lassen wir die Gegenfrage (Wer will das wissen?), suchen wir nach einer Antwort.

Die beglückende Erfahrung unseres Seinsgrundes als ursprüngliche menschliche Natur, unser wahres Selbst, ist von immenser Bedeutung. Sie führt uns (zurück) zum essenziellen Kern, wo wir frei von allen Begrenzungen, Gegensätzen, Ängsten, Begehren und Konditionierungen sind. Gerade in Krisenzeiten ist die kausale/nonduale Zustandserfahrung, das reine Bezeugen mit einem stillen Geist, ein wichtiger, den inneren Raum erweiternder Ruhepol, in dem wir erfahren, dass wir nicht allein und zutiefst mit allem verbunden sind.

Paradox und komplex wird es in der manifesten Welt. Es hilft wenig weiter, diese gleichmütig als Illusion, als Spiel abzutun. Und nicht jeder möchte als Einsiedler meditierend und schweigend für alle Zeiten weltlichen Dingen entsagen.

Stellen wir uns also dem komplexen irdischen Leben. Seien wir Menschen, die mit sich und den Problemen dieser Welt ringen. Denn nur so können wir uns weiterentwickeln und reifen, bewusst Verantwortung übernehmen, Entscheidungen treffen.

Widersprüche vereinen

 

Was machen wir nun mit dem (scheinbaren) Widerspruch zwischen dem temporär erfahrbaren grenzenlosen und zeitlosen wahren Selbst einerseits und dem ständig durch das Chaos der vergänglichen irdischen Existenz stolpernden, begrenzten Ego andererseits?

Gott sei Dank gibt es den Integralen Ansatz, der beides so einfach wie brilliant miteinander in Beziehung setzt. Der integrale Denker Ken Wilber weist darauf hin, dass das Universum, beginnend mit dem Urknall, einen selbstorganisierenden Antrieb hat und nach höherer Komplexität strebt, die nun einen Punkt erreicht hat, bei dem GEIST, der göttliche Seinsgrund, die Quelle (wie immer wir es nennen) sich selbst erkennt, (auch) in der Dualität, in der Form, in uns Menschen. Dies ist keine Illusion, sondern Ergebnis ernsthafter Forschungen – in westlicher Philosophie und
Psychologie geht es um „Ich-Transzendenz“ über Entwicklungsebenen (des Bewusstseins), um Transformation des Egos, nicht um dessen Auflösung.

Aus integraler Sicht erfolgt Selbstverwirklichung durch das Erkennen unseres formlosen göttlichen Seinsgrunds und gleichermaßen dank manifester Erfahrung unserer Göttlichkeit, die wir als sich stetig entwickelnde Menschen zum Ausdruck bringen. Hier erhält unser manifestiertes, an Zeit und Raum gebundenes Leben (wieder) eine gleichwertige Bedeutung, die es in traditionellen östlichen Weisheitslehren beim Streben nach der höchsten Einsicht (z. B. im Satsang) eingebüßt hat.

Entwicklungsebenen(des Bewusstseins) verlaufen vertikal und müssen Stufe um Stufe erklommen werden, vereinfacht betrachtet von egozentrisch zu ethnozentrisch zu weltzentrisch (es gibt verschiedene Modelle mit wesentlich differenzierteren Abstufungen). Hier wird ein Entwicklungsweg sichtbar, für den eine aktive Beteiligung in Form von innerer Arbeit förderlich ist. Jede Ebene ist geprägt durch ganz eigene Weltsichten undWertvorstellungen.

Zustände (grobstofflich/subtil/kausal/nondual), die Einheitserfahrungen einschließen, sind prinzipiell von Anfang an jedem Menschen zugänglich und können horizontal auf jeder der Entwicklungsebenen auftreten. So kann ein erleuchteter Meister ethnozentrische Wertvorstellungen haben, die weniger entwickelt sind als weltzentrische. Das Problem ist, er wird es – ohne Kenntnis der Entwicklungsebenen – nicht merken. Und dementsprechend interpretieren und handeln und es als die absolute Wahrheit empfinden, obwohl er eine spezielle, eingeschränkte Weltsicht vertritt. Hinzu kommen Persönlichkeitsstrukturen, Schatten, Muster, Konditionierungen, die sich eben nicht im nondualen Zustand auflösen, sondern sich gleich wieder melden, sobald jemand (ein Erleuchteter eingeschlossen) denkt, fühlt, spricht und handelt. Hier bringen nur Bewusstseinsarbeit, eine Psychotherapie, der Integrale Ansatz Licht ins Dunkel.

Erst das „Sowohl-als-auch“ horizontaler und vertikaler Selbstverwirklichung (auf eine möglichst hohe Entwicklungsebene) ergibt also aus integraler Sicht eine umfassendere Form der Selbstverwirklichung.

Wir merken, es wird kompliziert. Gleich noch komplizierter. Und zugleich einfacher.

 

Fünf wichtige innere Werkzeuge

 

Wilber erklärt: „Je höher der Grad an äußerer Komplexität der materiellen Form, desto höher der Grad an innerem Bewusstsein, das sich innerhalb dieser Form umsetzen kann ...“. Bedeutet: Um die komplexe Welt wahrzunehmen, steht uns prinzipiell ein komplexes Bewusstsein zur Verfügung. Mit dem wir nicht nur individuell subjektiv nach innen schauen können, sondern auch objektiv von außen auf die Dinge. Außerdem in kollektiven Erfahrungsräumen, also gemeinsam mit anderen (nach/von innen und von außen). Eine Frage der Tiefe und des Weitblicks. Eine Frage der Perspektive.

Fassen wir bis hierhin zusammen. Wollen wir der Komplexität dieser Welt Herr (oder Frau) werden, helfen uns Bewusstseinszustände + die zusätzliche Erfahrung unserer sich über Ebenen entwickelnden Göttlichkeit in der Form + individuelle und kollektive innere und äußere Perspektiven (in denen sich Kunst, Kultur, Natur, Wissenschaft etc. tummeln).

Setzen wir noch einen, nein, zwei integral obendrauf: Jeder Mensch trägt gewisse Charakterzüge, die ihn als (Persönlichkeits-)Typen ausmachen (männlich, weiblich, introvertiert, extrovertiert, intuitiv ...) und prägt Entwicklungslinien (kognitive, moralische, ästhetische, spirituelle, zwischenmenschliche ... Talente) unterschiedlich aus.

Somit haben wir die Big Five des Integralen Ansatzes: Zustände, (Entwicklungs-)Ebenen, Perspektiven (die als Quadranten bezeichnet werden, aber das soll uns jetzt egal sein), Typen und Linien. Mit diesen hervorragenden menschlichen Fähigkeiten besitzen wir das Potenzial, uns besser, vielseitiger und effektiver zurechtzufinden.

Richtig, das klingt komplex. Aber besser komplexe (innere) Werkzeuge im Rucksack, als orientierungslos und kopfschüttelnd den Dingen ihren Lauf lassen.

Absolute und relative Wahrheit


Die Big Five des Integralen Ansatzes machen die getönte Brille bewusst, mit der wir uns selbst, andere und Aspekte der Wirklichkeit betrachten, die Filter, durch die wir beurteilen, glauben, meinen, denken, Zusammenhänge herstellen, uns Illusionen hingeben, die Welt schön machen oder in düsteren Farben malen. Ohne einen für klaren Blick sorgendenden Bezugsrahmen, wie ihn der Integrale Ansatz darstellt, wird es noch komplizierter als es schon ist, werden wir zum Spielball unserer Anschauungen und Charakterzüge. Tauschen wir uns – dessen nicht bewusst – mit anderen über komplexe Probleme aus, sind Meinungsverschiedenheiten und Streitigkeiten vorprogrammiert.

Die mit viel Emotionen und kontroversen Meinungen aufgeladenen Diskussionen hinsichtlich der Corona-Pandemie oder des Klimawandels verdeutlichen, wie chaotisch es wird, sobald unreflektierte Überzeugungen, entgegengesetzte Interessen, Egoismus und Unwissenheit aufeinanderprallen und jede/r die alleinige Wahrheit für sich proklamiert. Selbst wissenschaftliche Theorien, Modelle und Prognosen (die auf Basis von Erfahrungen aus der Vergangenheit erstellt werden) scheitern immer wieder an der unberechenbaren Komplexität der Realität. Denn komplexe, aus vernetzten Komponenten bestehende Systeme, die niemals isoliert betrachtet werden können, wirken gegenseitig aufeinander ein. Sind meistens nichtlinear und haben Kipppunkte, die alles über den Haufen werfen.

Erst das integrale Einordnen der eigenen Sichtweisen und Fähigkeiten und der anderer Menschen ermöglicht es, sich einer relativen Wahrheit in der dynamisch evolvierenden, komplexen Dualität anzunähern. Absolute Wahrheit gibt es nur im göttlichen, nondualen Urgrund. Um klarzukommen, brauchen wir, wie bereits erläutert, beides: absolute und relative Wahrheit.

Nichtwissen, Unsicherheit, Unschärfe


ZumTrost: Das Ignorieren von Komplexität ist eine lebenswichtige Basis dafür, dass das Individuum überhaupt handeln kann. Vieles läuft unbewusst ab, sonst würden wir uns bereits bei Kleinigkeiten verzetteln. Wir müssen nicht bei jedem Schritt, den wir tun, überlegen, wie das Bein gestreckt, das Knie gebeugt, der Fuß aufgesetzt wird, warum die Arme schwingen oder nicht usw. Trotzdem sollte das nicht der Deckmantel für Ignoranz (und Lethargie) in jeder Lebenslage sein. Verdrängung von (komplexen) Problemen schürt das Unbehagen.

Im Umgang mit Corona und Klimawandel – einem Thema, bei dem generationsübergreifend gedacht und gehandelt werden muss – hat der Einzelne hier und jetzt die Möglichkeit, im Kleinen mitzuwirken, um die eigene Gesundheit und die anderer zu schützen und klimaschonende Maßnahmen zu ergreifen. Das Gefühl für die Dringlichkeit, grobes Verständnis in die Zusammenhänge und Vertrauen in die nötigen Schritte sind von Vorteil. Wissenschaftler und Politiker, die Entscheidungen in größerem Rahmen verantworten, müssen sich intensiver mit der Vielschichtigkeit der Phänomene und deren Auswirkungen auf diverse Bereiche auseinandersetzen. Demokratische Entscheidungsprozesse sorgen für Reibung und sind zeitintensiv, werden komplexen Inhalten aber gerechter als autoritäres Schwarz-Weiß-Denken. In Notsituationen sollte allerdings schnelles, entschlossenes Handeln angestrebt werden.

In jedem Fall gilt es zu lernen: Mit Nichtwissen, Unsicherheit, Unschärfe leben (Schönen Gruß an die Quantenphysik!), die richtigen Fragen stellen, Prioritäten setzen, aufs Wesentliche besinnen und zu guter Letzt Entscheidungen treffen. Daten helfen ebenso. Sind allerdings unzureichend. Masse, per Big Data gesammelt, ersetzt keinesfalls die menschliche Befähigung zur Assoziation, zu Mitgefühl, visionärer Fantasie, Kreativität und Interaktion mit der Umwelt. Wenn
Selbstreflektion vorhanden und am besten ein hilfreicher Bezugsrahmen wie der Integrale Ansatz bekannt ist, der nachhaltiges, interdisziplinäres Denken und Kooperation fordert und fördert.

Fragen stellen


Der Ruf nach einfachen Lösungen aufgrund von Unbewusstheit, Ignoranz und Verdrängung und die Verweigerung der Übernahme von Verantwortung bedeutet die Kapitulation vor Komplexität. Die intensive Suche nach Vereinfachung, verbindenden Mustern, mathematischen Gesetzmäßigkeiten, nach relativer Wahrheit kennzeichnet bewusste, wissenschaftliche Arbeit. So kann ein großartiges Modell wie der Integrale Ansatz entstehen. Oder Einsteins berühmte Formel E = mc², die als schön und elegant bezeichnet wird, weil sie komplexe Zusammenhänge genial auf den Punkt bringt. Gleichzeitig stellt sie das lange Zeit vorherrschende Weltbild auf den Kopf. Was beweist, dass auch Vereinfachung zu neuen vielschichtigen Folgen und Folgerungen führen kann.

Niemand muss selbst Wissenschaftler, Guru, Visionär oder Politiker werden, um – ohne zu verzweifeln – in einer komplexen Welt zu leben. Wissen steht dank Internet jedem und jeder ständig zur Verfügung. Wir müssen nur sorgfältig auswählen. Mit äußerer Komplexität nimmt gleichzeitig die innere zu. Somit unsere Möglichkeiten und unsere Freiheit. Bleiben wir flexibel, halten wir Unwägbarkeiten, Paradoxien, relative Wahrheiten aus, vernetzen wir uns, lernen wir dazu, mit den Big Five des Integralen Ansatzes, schulen wir Selbsterkenntnis, Achtsamkeit, einen für Wandel offenen Geist, übernehmen wir Verantwortung. Stellen wir mutig Fragen, die unseren Horizont erweitern.

Unser Denken verändert die Welt

Jeder hat bestimmt schon die Erfahrung gemacht, dass sich die Welt je nach Stimmungslage verändert.  Von Katja Gleisberg, HP (Psych.), Bad Driburg

Bei guter Laune können wir über Schwächen des Partners hinwegsehen, wenn es uns aber schlechter geht, können uns schon die kleinsten Kleinigkeiten aufregen, und wir sollten uns die Frage stellen, warum habe ich ein Problem, was vorher noch nicht da war?

 

Desto bewusster wir lernen, mit unseren Gefühlen und Gedanken umzugehen, desto bewusster können wir Einfluss auf unser Leben nehmen. Wenn wir bereit sind, Verantwortung für unser Leben zu übernehmen, erwachen wir immer mehr zum Schöpfer unseres Lebens. Wir fühlen uns nicht mehr als Opfer, sondern erkennen, dass wir bestimmte Situationen in unserem Leben durch unser Fühlen, Denken und Handeln angezogen haben.

 

Psychotherapie oder z. B. systemische Beratung können diesen Prozess der Bewusstwerdung unterstützen, indem ein Raum entsteht, in dem auch unbewusste Gefühle und Glaubenssätze dem Bewusstsein zugänglich gemacht werden, um sie durch Akzeptanz und Liebe zu erlösen.

 

Es ist eine wunderbare Erfahrung zu realisieren, dass man selbst Schöpfer seiner Realität ist.


Wundern Sie sich manchmal ...

... wenn Ihnen Ihr Therapeut „komische Fragen“ stellt? Das scheint manchmal vollkommen unlogisch zu sein und wieder einmal gar nicht zu Ihren Klagen zu passen, und dann denken Sie „schon wieder einer, der nicht richtig zugehört hat“ oder „ist der jetzt im Thema oder denkt der gerade an etwas ganz anderes“.  Von Kristina König, HP, Bielefeld

Ja, wundern Sie sich dann nicht, denn wer gelernt hat – oder auch nur bemüht ist –, den ganzen Menschen zu sehen, der lässt sich erst einmal von geschilderten Symptomen nicht besonders beeinflussen. Symptome sind nur eine Sprache des Körpers, die der Geist in Worte zu bringen versucht, und da sind wir dann beim Punkt Wahrnehmung und Wahrheit.

 

Meinung

 

Vielleicht haben Sie nie darüber nachgedacht, aber es sind zwei völlig verschiedene Einsichten oder Ansichten.


Sie schildern Ihr Empfinden, haben schon irgendwie darüber nachgedacht und gefiltert, was es sein könnte, wodurch Sie anstelle des einfachen Symptoms verdeckt schon eine Meinung beifügen. Deshalb bekommen Sie dann eben diese für Sie komischen Fragen gestellt, von denen Sie teilweise sogar der Meinung sein könnten, sie passen gar nicht zu Ihrem (Problem-)Thema.

 

Diagnose

 

Ähnlich kann sich dann die daraus resultierende Diagnose darstellen, die, wenn sie Ihrer Wahrnehmung annähernd entspricht, ab sofort für Sie die Wahrheit ist. Für manchen ist das sehr beruhigend und erleichternd, hat er doch endlich eine greifbare Meinung oder Diagnose, mit der man etwas anfangen kann.

 

Hadern Sie trotzdem nicht mit denen, die Ihnen die „komischen“ Fragen stellen. Um wirklich den Dingen auf den Grund zu gehen, muss man kriminalistisch vorgehen und von vielen, möglichst allen Seiten an das Problem herangehen. Dazu gehören oft Fragen aus der Vergangenheit, aber auch die für die Zukunft, denn der eine hat Altlasten mit sich herumzutragen, die er vielleicht empfindet, als hätte man ihm „zu viel auf die Schultern gepackt“ oder „aufgebürdet“, und der andere mag Ängste vor der Zukunft haben, was ihm vielleicht Sehstörungen bereitet, weil er es noch nicht sehen will.

 

Leider braucht dieses „komische Fragen“ zu stellen viel Zeit, die Therapeuten vermutlich – außer klassischen Homöopathen – nicht haben oder nicht aufwenden.

 

Ursache

 

Wenn Sie der Ursache auf den Grund kommen möchten, stellen Sie sich den „komischen Fragen“ und wundern Sie sich nicht. Haben Sie aber den Mut zu fragen, warum Sie diese Fragen bekommen. Dann sind Sie ein angenehmer Partner auf der kriminalistischen Suche. Versuchen Sie – auch bei und für sich selbst – objektiv zu bleiben. Bedenken Sie, Wahrnehmung und Wahrheit sind zwei unterschiedliche Empfindungen. Jeder hat seine eigene Wahrheit, die allein aus seinen individuellen Wahrnehmungen und Erfahrungen resultiert.

Hochsensibilität als Botschaft

Hochsensible Menschen erleben sich oft als nicht so belastbar wie ihre weniger sensiblen Mitmenschen. Schneller als andere leiden sie unter Dauerstress-Erkrankungen ...  Von Jutta Böttcher

... wie z. B. tiefen Erschöpfungszuständen, Depressionen, Entzündungsneigung, Infektanfälligkeit, chronischen Magen-Darm-Erkrankungen, chronischer Muskelanspannung, Schmerzzuständen und Ähnlichem.

 

Angesichts des Leistungs- und Erfolgsdrucks in unserer Gesellschaft wird das Phänomen der Hochsensibilität in der öffentlichen Aufmerksamkeit darum häufig mit dieser "Schwäche" verbunden. Jedoch beschenkt das reduzierte Reizfiltersystem den Träger dieses Persönlichkeitsmerkmals mit einer ganzheitlichen Wahrnehmungsfähigkeit. Sie ermöglicht ihm u. a. das Empfinden einer allumfassenden Verbundenheit und eine Ahnung seiner persönlichen Entwicklungspotenziale, nach deren Verwirklichung er sein Leben lang sehnsuchtsvoll strebt. Auf der persönlichen Ebene zeigt sich dieses Empfinden von Verbundenheit u. a. in einer hohen Empathiefähigkeit, in dem Vermögen, ungewöhnliche Problemlösungen herstellen zu können, einer großen Kreativität sowie einem ausgeprägten inneren Wertesystem.

 

Das Problem vieler hochsensibler Mensch besteht darin, dass sie die für alle bedrohliche, zu hohe Komplexität im Alltag in Form von zu viel Druck, Entfremdung von sich selbst bis hin zum Selbstverrat usw. tatsächlich früher als andere wahrnehmen. Da sie sich jedoch oft ihrer feinen Wahrnehmung (noch!) nicht bewusst sind oder sich bemühen, sich möglichst gut anzupassen, können die Hochsensiblen als warnende Seismographen der Gesellschaft kaum erkannt werden. Sie erkranken an den Folgen dieser Belastung.

 

Zur Entwicklung ihrer persönlich stimmigen Wege zu mehr Gesundheit und Wohlbefinden wäre es für die Hochsensiblen jedoch gerade wichtig, ihrer besonderen Fähigkeit zur Stress-Resilienz, die insbesondere aus ihrer feinen Wahrnehmungsfähigkeit resultiert, Aufmerksamkeit zu schenken. Ihr inneres Bezugssystem ist weniger als bei vielen anderen an der äußeren Welt orientiert, sondern vielmehr an einem ausgeprägten inneren Wertesystem. Stichworte wie Sinnerfüllung in Lebens- und Arbeitswelt, gegenseitiger Respekt und ein wertschätzender Umgang mit allen Lebewesen haben einen hohen Stellenwert für sie. Gelingt es, diesen Werten mehr Ausdruck im Leben zu verleihen – und das gilt für alle Menschen –, hält unser Körper eine andere Stressantwort bereit. Er schüttet Oxitoxin, das Kuschelhormon, aus. Dieses Hormon hilft, auch objektiv weiterhin hohe Belastungen in der Ausübung einer Sinn erfüllenden Aufgabe ohne die üblichen negativen Stress-Auswirkungen zu überstehen. Im Gegenteil – daraus können neue Kräfte erwachsen.

 

Es könnte die besondere Botschaft der hochsensiblen Menschen unter uns sein, zu erkennen, dass wir den krankmachenden Herausforderungen einer sich ständig verändernden Welt nur gesund und stabil begegnen können, wenn wir uns innerlich füreinander öffnen und für ein übergeordnetes Ziel zusammen wirken. Wir sind für Gemeinschaftsfähigkeit und Nächstenliebe gemacht. Wenn wir uns dieser Haltung verweigern, werden wir als Gemeinschaft an Leib und Seele Schaden nehmen – wie es allerorten schon geschieht.