Fotografie
Natur
Von tg
„Inmitten alter Bäume werde ich daran erinnert, dass es immer noch Anmut und Schönheit in der Welt gibt. Indem wir die verbliebenen Bäume ehren, feiern wir die
Freude und die Pracht der Erde.“
Sie sehen aus wie Teekannen, Blumenvasen, Liebende, wie dicke Zwerge oder graue Riesen mit der Haut einer keimenden Kartoffel. Sie können über 2000 Jahre alt werden. Ihre Früchte und Kapseln
gelten als Superfood. Blätter, Blüten und Rindenstücke werden von den Einheimischen zu medizinischen Zwecken genutzt. Die Rede ist von den „afrikanischen Zauberbäumen“, den Baobabs, auch
Affenbrotbäume und verkehrt herum gepflanzte Bäume genannt. Sie scheinen unverwüstlich zu sein, doch ihre Existenz ist durch den Klimawandel und negative menschliche Einflüsse
gefährdet.
Im November 2018 erhielt Beth Moon eine Nachricht von Adrian Patrut, der Afrikas älteste und größte Baobs erforscht: „Der Tsitakakoike, der größte ehrwürdige Baobab
ist vor ein paar Tagen zersplittert und umgekippt“. Die amerikanische Fotografin machte sich auf den Weg, um den Tsitakakoike und weitere Exemplare seiner Art zu besuchen. Die magische
Ausstrahlung der archaischen Giganten in Madagaskar, Botswana, Südafrika und Senegal hat sie meisterhaft auf monochromen Bildern festgehalten, die Betrachter unwillkürlich in ihren Bann ziehen.
In ihrem Reisetagebuch lässt Moon die Leser*innen an vielschichtigen Gefühlen, atemberaubenden Ausblicken und ehrfürchtigen Momenten teilhaben.
Ein großartiges, großformatiges Buch. Eine fotografische Meditation über die fragile Schönheit der
Natur.
„Baobab“ von Beth Moon, Fotoband und Reisetagebuch, Elisabeth Sandmann Verlag, 128 Seiten, mit einem Essay von Adrian Patrut.
Zwiebeliger Affenbrotbaum – Madagaskar beherbergt sechs Arten von Baobabs ... Forschungen haben gezeigt, dass sich die einzelnen Arten stark unterscheiden.
Einige Bäume sind kurz und dick, andere stämmig und zylindrisch und wieder andere haben lange elegante Stämme mit Büscheln von Zweigen am Ende. (Madagaskar, 2019)
© Beth Moon / Elisabeth Sandmann Verlag
Natur
Von tg
„Mit jedem wild lebenden Tier und jeder Pflanze, die wir vernichten, zerstören wir ein kleines, aber wichtiges Getriebeteil an Biodiversität, die das für uns überlebenswichtige Ökosystem der Erde funktionstüchtig erhält.“
Das Bienen- und Insektensterben ist mittlerweile ein stets präsentes Thema in den Medien. Dass es in Deutschland (und anderen Ländern) zudem einen besorgniserregenden Vogelschwund gibt, d. h. einen dramatischen Rückgang von Brutpaaren, scheint hingegen noch nicht wirklich im Bewusstsein der Menschen angekommen zu sein.
Der Ornithologe und Verhaltensforscher Professor Dr. Peter Berthold erklärt in „Unsere einzigartige Vogelwelt“ die „Vielfalt der Arten und warum sie in Gefahr ist“. Und weist in kurzen Texten
eindringlich darauf hin, dass wir „hart am Abgrund“ stehen und umgehend Tier- und Pflanzenbestände wieder aufbauen müssen.
Großartige Bilder von Konrad Wothe und anderen Fotografen zeigen die Schönheit der in Deutschland bereits ausgestorbenen, vom unmittelbaren Aussterben bedrohten und im Fortbestand erheblich
gefährdeten Vogelarten. Erstaunlich: Sogar Allerweltsvögel wie Haussperling und Star gelten als gefährdet und haben Einzug in die Rote Liste gehalten. Neben anderen Ursachen ist dafür der Schwund
von Nahrung (Insekten ...) und geeignetem Lebensraum (intensive Landwirtschaft) verantwortlich.
Aber es gibt auch Lichtblicke – u. a. dank strenger Schutzmaßnahmen derzeit einige recht stabile Bestände (Amsel, Nachtigall, Graureiher, Fischadler ...) und Vögel, die sich im Steigflug befinden
und auf dem Vormarsch sind (Basstölpel, Uhu, Seeadler, Kranich ...).
„Unsere einzigartige Vogelwelt – Die Vielfalt der Arten und warum sie in Gefahr ist“ von Peter Berthold, mit Fotografien von Konrad Wothe u. a., Frederking & Thaler Verlag, 224 Seiten mit ca.
200 Abbildungen.
Feldlerche
Buntspechte
Blauracken
Fotos © Konrad Wothe
Natur
Von tg
„Es ist fast mucksmäuschen-still, nur ein schwaches Motorengeräusch lässt sich von der fernen Straße erahnen, als es plötzlich heftig neben mir poltert. Adrenalin schießt mir durch die Adern, ich bin hellwach und nachdem der Überraschungseffekt abgeklungen ist, muss ich lächeln. Ich bin nicht allein im Wald. Das war ein Bär!“
Wer in Nordslowenien Urlaub macht – etwa am beliebten Bleder See oder im grandiosen Triglav Nationalpark – und erzählt, er wolle nach Loški Potok, Cerknica oder Kočevje fahren, wird selbst von Einheimischen mit ungläubigen Augen angesehen: Was will ein Tourist denn in
der Ecke? Da gibt es doch nichts zu sehen. Doch, gibt es. Bären! Im Süden von Slowenien findet sich einer der dichtesten Braunbärenbestände der Welt.
Den größten Beutegreifer Europas haben drei österreichische Fotografen über einen Zeitraum von drei Jahren in den Wäldern Südsloweniens studiert und mit beeindruckenden Bildern porträtiert.
Darüber hinaus wissen sie eine Menge über Fähigkeiten, Lebensweise und Sozialverhalten der neugierigen und intelligenten Tiere zu berichten und lassen Bärenkenner zu Wort kommen.
Die Menschen vor Ort zeigen, wie das Zusammenleben mit Bären funktionieren kann – sie haben sich arrangiert, beugen mit kreativen Maßnahmen möglichen Schäden vor, bzw. nehmen diese mal mehr, mal weniger entspannt und augenzwinkernd in Kauf.
Ein rundum stimmiges, informatives Buch und engagiertes „Plädoyer für die Wildheit“, gegen Vorurteile und unbegründete Ängste.
„Unter wilden Bären – der neue Nachbar in unseren Wäldern“ von Christine Sonvilla, Marg Graf, Robert Haasmann, Frederking & Thaler Verlag, 166 Seiten mit ca. 230 Abbildungen.
Paarungszeit im Mai und Juni: Braunbären suchen die Gesellschaft ihrer Artgenossen
Sie sind „schnell, stark und können klettern“
Jungbären lernen von der Mutter alles Notwendige für das Überleben im Wald
Fotos © Sonvilla/Haasmann/Graf
Fotoschule
Von tg
„Wichtig ist nur, dass Sie stets mit Herz, Verstand und Gefühl dabei sind. Versuchen Sie, nicht zu knipsen, sondern zu fotografieren.“
Nie war es leichter, ein Foto zu machen. Das Smartphone ist immer dabei, ein Schnappschuss ohne fotografische Kenntnisse problemlos dank KI. Doch was unterscheidet ein Allerweltsfoto von
einer außergewöhnlichen Aufnahme? Was muss man/frau über Technik, Bildgestaltung, Motive, Bildbearbeitung und Präsentation wissen, wenn mit dem Handy, einer digitalen Bridge-, Spiegelreflex- oder
Systemkamera bewusst eigene Bildideen umgesetzt werden sollen? Diese und viele weitere Fragen beantwortet die „umfassende Fotoschule“ der professionellen Fotografin Marion Hogl auf über 700 prall
gefüllten Seiten mit kompakten Informationen, Übungen, Tipps, Grafiken und Bildbeispielen. Detailliert und gut verständlich erklärt Hogl die Funktionsweise einer modernen Kamera. Die „Kleine
Sehschule“ schärft den Blick. Licht und Farbe setzen Akzente, Perspektive, Linien, Muster und Strukturen bestimmen die Komposition. Der Praxisteil zeigt, was zu beachten ist, werden Menschen,
Tiere, Landschaften, ein Feuerwerk, Straßenszenen, Sportevents oder eine Hochzeit abgelichtet. Die Grundlagen der Bildbearbeitung konzentrieren sich aufs Wesentliche – denn dieses Thema allein
kann Bände füllen.
Ein im wahrsten Sinne des Wortes gewichtiges Fachbuch zu einem fairen Preis, das ambitionierte Hobbyfotografen motivieren und der erfahrene Fotograf bzw. die erfahrene Fotografin als
Nachschlagewerk schätzen wird.
„Digitale Fotografie – Die umfassende Fotoschule für Technik, Bildgestaltung und Motive“ von Marion Hogl, Rheinwerk Verlag, 715 Seiten.
Europa
Von tg
"Die Ausrüstung des Fotografen ist eine Erweiterung seiner Gefühle und seiner Phantasie", sagte Anfang der 1980er Jahre der National Geographic-Fotograf James L.
Stanfield. "In 125 Jahren um die Welt – Europa" zeigt spektakuläre Fotos aus dem National Geopraphic Magazine, kommentiert diese mit ausgewählten Reportagen aus den Archiven der Zeitschrift und
nimmt die Leser mit auf eine Expedition "zur Seele Europas", vom Polarkreis bis an den Bosporus.
Eine historische Entdeckungsfahrt, die mit frühen Schwarz-Weiß-Aufnahmen beginnt und mit der digitalen Fotografie längst nicht ihr Ende gefunden hat. Der exzellente, großformatige Bildband zeugt
von der Vielfalt, Schönheit und wechselhaften Geschichte unseres Kontinents, von grandiosen, einzigartigen Landschaften und prächtigen Bauwerken. Und er hält berührende Momente bereit, von
Menschen in der Natur, bei der Arbeit, beim Tanzen und Feiern und beim Trauern um die Verstorbenen. In einer Phase, in der sich Herzen verengen und der Ruf nach Abgrenzung wieder lauter wird, ist
ein Buch wie dieses mehr als eine fotografische Zeitreise, es ist ein kraftvolles Plädoyer für mehr Gefühl und Phantasie, für mehr Europa – ein offenes, freies, schönes Europa ohne Grenzen.
"In 125 Jahren um die Welt – Europa" (Cover: © TASCHEN) von
Reuel Gorden (Hrsg.), Taschen Verlag, 336 Seiten.
S. 209 / F. S. Lincoln. France, circa 1930.
Natur
Von tg
„Ich habe immer die Natur geliebt, und ich war ein Umwelt- und Naturschützer, lange bevor ich wusste, dass es dafür Bezeichnungen gab.“
Art Wolfe ist ein preisgekrönter US-amerikanischer Naturfotograf. „Er sucht ständig nach einzigartigen Menschen, Orten und Naturphänomenen“, schreibt Rob Sheppard in seinem Vorwort zu „Die Jagd
nach dem perfekten Bild“, einem Buch, das in einer Art Zeitreise von den analogen 1980er-Jahren bis zur digitalen Gegenwart interessante und inspirierende Einblicke in das umfangreiche Werk eines
großartigen Künstlers gibt. Der zu jedem einzelnen Bild eine kurze Geschichte erzählt, das Motiv beschreibt und engagierte Fotografen mit Angaben zur Ausrüstung (Marke, Objektiv ...) und
Kameraeinstellungen (Blende, Belichtungszeit, ISO ...) sowie Foto-Tipps erfreut. So werden die Bilder für den Betrachter lebendig und entfalten – jedes einzelne auf außergewöhnliche Weise – eine
ganz eigene magische, aufs Wesentliche verdichtete Kraft: das durch dunkles Blätterwerk aufblitzende „Tigerauge“, die „Spirituelle Reise“ eines indischen Pilgers, an kubistische Werke Picassos
erinnernde „Boote“. Liebe zur Natur, Respekt vor wilden Tieren, Faszination und Wertschätzung indigener Kulturen, die Leidenschaft Neues zu erkunden und die Suche nach dem besonderen Moment
spiegeln sich in den Bildern von Wolfe wider. Die, obwohl häufig nach künstlerischen Aspekten arrangiert und komponiert, immer absolut authentisch wirken.
Ein Fotobuch, das Fotografen, Naturliebhaber und Weltreisende gleichermaßen faszinieren wird.
„Die Jagd nach dem perfekten Bild“ von Art Wolfe, Frederking & Thaler Verlag, 288 Seiten, mit ca. 200 Abbildungen.
Schwarz-Weiß
Von tg
"Mir geht es jetzt darum, mich ohne Vorurteil, ohne Verfälschung mit der Natur zu identifizieren, die Dinge wie sie sind, ihr innerstes Wesen zu sehen oder zu erkennen ..."
Edward Weston (1886–1958) war einer der bedeutendsten amerikanischen Schwarz-Weiß-Fotografen des 20. Jahrhunderts.
Eine Auswahl aus seinem Werk ist nun im Taschen Verlag (Cover: Copyright TASCHEN) erschienen. Sie zeigt Westons künstlerischen Werdegang von frühen weichgezeichneten und stark bearbeiteten
Porträts im piktorialistischen Stil über detailscharfe Fotos von Industrieanlagen bis hin zu klassischen Objekt-, Akt- und Landschaftsaufnahmen, die sich auf das Wesentliche beschränken und bis
heute nichts von ihrer "direkten, leidenschaftlichen, kompromisslosen" Ausstrahlung verloren haben.
"Edward Weston" von Manfred Heiting (Hrsg.), mit einem Essay von Terence Pitts und einem Portrait von Ansel Adams, Taschen Verlag, 252 Seiten.
© TASCHEN
Bildbearbeitung
Von tg
Capture One Pro ist eine sehr gute Alternative für den nur noch als Abo-Modell erhältlichen Platzhirsch unter den RAW-Konvertern Adobe Lightroom. Als
einmaliger Kauf nicht gerade günstig (auf Rabatt-Aktionen achten!), aber seinen Preis wert, bietet Capture One Pro einen riesigen Funktionsumfang für die professionelle Bildbearbeitung und
-verwaltung und bis zur nächsten Version gratis Updates.
Jürgen Wolf bietet im Handbuch vom Rheinwerk Verlag exzellente Hilfe. In 21 Kapiteln auf über 500 Seiten erklärt der passionierte Digitalfotograf ausführlich und verständlich die Grundlagen bis
hin zu speziellen Anwendungen. Mit zahlreichen Abbildungen, Infokästen und mehr als 100 Workshops.
„Capture One Pro 22 – Das umfassende Handbuch“ von Jürgen Wolf, mit Downloads von Stilen und allen Beispielbildern aus den Workshops, Rheinwerk Verlag, 522 Seiten.
Schwarz-Weiß
Von tg
"Dieses Werk ist das Ergebnis meiner Reisen, eine visuelle Liebeserklärung an die Erhabenheit und Zartheit der Welt. Doch es ist zugleich eine Mahnung, so hoffe
ich, dies alles nicht aufs Spiel zu setzen ..."
Für sein aktuelles Langzeitprojekt "Genesis" (Cover: © TASCHEN)
erforschte der renommierte und sozial engagierte brasilianische Fotograf Sebastião Salgado auf 32 Reisen 8 Jahre lang zu Fuß, in Booten, kleinen Flugzeugen oder Fesselballons abgelegene Winkel
unserer Erde. Meistens gemeinsam mit seinem Kollegen Jacques Barthélemy, mitunter in Begleitung seiner Frau Lélia – mit der er zusammen das Instituto Terra leitet, und die auch dieses Buch
gestaltete – oder seines Sohns Juliano. "Wir machten es uns zur Aufgabe, die Landschaften und Seegebiete aufzuspüren, die Tiere und uralten Völker, die dem langen – und oft zerstörerischen – Arm
der modernen Zivilisation entgangen waren".
Salgados Schwarz-Weiß-Aufnahmen sind von exzellenter Qualität und zeitloser Schönheit und werden bzw. wurden in diversen Ausstellungen gezeigt. Eine umfangreiche Auswahl dieser "Hommage an
unseren Planeten in seinem ursprünglichen Zustand" bietet der erstklassige Fotoband aus dem Taschen Verlag. Er ist in fünf, verschiedene Regionen und Ökosysteme präsentierende Kapitel gegliedert:
"Im Süden der Erde", "Zufluchtsorte", "Afrika", "Nördliche Weiten" und "Amazonien und Pantanal".
Einleitende Texte stimmen auf die Bilder ein, die z. T. meditativen Charakter haben, größtenteils Doppelseiten füllen und über die man in einem beiliegenden Extraheft nähere Informationen erhält.
Etwa, dass der Perito-Moreno-Gletscher 30 Kilometer lang ist und vom Südpatagonischen Eisfeld, dem drittgrößten Süßwasserspeicher der Erde, gespeist wird. Dass der Lavakaktus von den
Galapagosinseln auf jungen Lavaströmen wächst und 50 verschiedene Arten von Lemuren nur im biologischen "Hotspot" Madagaskar vorkommen. Oder es wird erklärt, wie ein Heil- oder Trancetanz dem in
der Kalahari-Wüste lebenden Volk der San, auch Buschmänner oder Bochimans genannt, "Eintritt in die Welt der Geister" ermöglichen soll.
Wer selbst fotografiert und vielleicht sogar einmal in der Dunkelkammer gearbeitet hat, wird sich über viele Details freuen, die die Faszination von Schwarz-Weiß ausmachen: das Spiel von Licht
und Schatten, harte Kontraste und sanfte Grauabstufungen, Körnung, Strukturen, Linien und Formen, die Verdichtung aufs Wesentliche. Da Salgado während des Projekts von der analogen zur digitalen
Fotografie überwechselte (Negativfilme wurden versehentlich bei einer Kontrolle am Flughafen zerstört), vereint das gedruckte Bildmaterial die Stärken beider Aufnahmeverfahren. Aber auch für
LeserInnen und Betrachter ohne fotografische Kenntnisse ist "Genesis" ein faszinierendes, aufrüttelndes Zeugnis von (nahezu) unberührter Natur und dem Leben in und mit ihr.
"Genesis" – Fotos von Sebastião Salgado, Konzeption und Gestaltung Lélia Wanick Salgado, Hardcover, Taschen Verlag, 520 Seiten.
Experimentell
Von tg
„Ich erforsche das Raum-Zeit-Kontinuum inerhalb eines zweidimensionalen Standfotos.“
Eine gute Fotografie zeichnet sich u.
a. dadurch aus, dass sie einen unwiederbringlichen, kurzen Moment zu einem Zeitdokument, einem magischen Kunstwerk einfriert. Doch was wäre, wenn man mehr als einen Moment in einem Bild erfassen könnte? Diese Frage stellte sich der amerikanische Fotograf Stephen Wilkes. Und liefert nun die Antwort mit seinem Projekt „Day to Night“.
Für sein ambitioniertes Vorhaben suchte er berühmte Plätze auf, „Orte kollektiver Erinnerung“, etwa den Champs Elysées, den Times Square und Stonehenge, und grandiose Naturschutzgebiete wie den
Yellowstone- und den Serengeti-Nationalpark. Von einem erhöhten, festen Punkt aus machte er jeweils 15 bis 30 Stunden lang mehr als 1500 Aufnahmen. Bei der monatelangen Bearbeitung verschmolz er
diese anschließend zu einem einzigen, technisch brillanten (z. T. an ein Wimmelbild erinnerndes) Foto, in dem Tag und Nacht, Licht und Dunkelheit harmonisch ineinandergleiten.
Ein spektakulärer, großformatiger Fotoband. Mit der Leidenschaft eines Geschichtenerzählers und der Distanz des genauen Beobachters, lotet Wilkes die Grenzen der (digitalen Straßen- und
Landschafts-)Fotografie neu aus. Erweitert den Blick, gibt der Zeit ein über den flüchtigen Augenblick hinausgehendes fotografisches Gesicht.
„Day to Night“ von Stephen Wilkes und Lyle Rexer (Autor), Hardcover, TASCHEN Verlag, 260 Seiten.
„Serengeti National Park, Tanzania." 2015
© 2019 Stephen Wilkes“
„New Yorkers explore an enchanting, post-blizzard Central Park. New York." 2010 © 2019 Stephen Wilkes
„A couple embraces amid the flux of pedestrians in London’s Trafalgar Square." 2013 © 2019 Stephen Wilkes
„Albatrosse, Steeple Jason, Falkland Islands." 2017 © 2019 Stephen Wilkes
Schwarz-Weiß
Von tg
„Weiß ist das Gegenteil von Schwarz, dem Nichts, dem Chaos, das auf ordnende Gestaltung wartet durch das Licht der Erleuchtung. Der Mensch braucht Weiß, die hellste aller Farben, zum Überleben, denn sie gibt ihm Halt in einer haltlosen Welt.“
Nach dem Bildband „Grey Matter(s)“, in dem der in Hamburg lebende Fotograf Tom Jacobi unseren blauen Planeten auf die Farbe Grau reduziert und komprimiert, ist nun Teil 2 der Trilogie „Awakening“
erschienen. In „Into The Light“ ergründet der langjährige Art Director des stern die „Reinheit gleißender Helligkeit“, die makellose Transparenz und Transzendenz der Farbe Weiß, will
versinnbildlichen, dass „wir – aus der Dunkelheit kommend – zum Licht streben“.
Fast zwei Jahre bereiste Jacobi sieben Kontinente, wartete in archaischer, menschenleerer Natur auf das richtige Licht, was für ihn, wie er in einem Interview der WeLT verriet, das Beruhigendste
ist, was er kennt.
Ruhe, Geduld und Faszination des Fotokünstlers sind spürbar in den großformatigen Bildern – durchweg in Schwarz-Weiß, mal High Key (nur helle Töne), mal in zarten Grauabstufungen, mal
kontrastreich, immer auf das Wesentliche verdichtet: Form, Struktur, Linie, Fläche, Weite, Stille. Und über allem und in allem ein Strahlen. Licht, das durch eine dichte Wolkendecke bricht, den
Wasserfilm auf einer Salzkruste in einen unermesslichen Spiegel verzaubert, im Eis erstarrtes Methangas und majestetische Klippen zum Funkeln bringt. Sandwüsten schimmern wie Schneelandschaften,
pilzförmige Felsen verwandeln sich in arktische Eisgebilde und Kalksinterterassen in Watteburgen.
Es lohnt, sich Zeit zu nehmen für „Into The Light“, auch für die kurzen Begleittexte von Jacobis Frau Katharina, und wie von selbst wird Lesen und Betrachtung zur Meditation.
„Into The Light“ von Tom Jacobi, Hirmer Verlag, 144 Seiten mit 70 Abbildungen, begleitenden Texten und Index.
„Clean Cut“ – Lake Abraham in Kanada
„Magic Mushroom“ – Weiße Wüste in Ägypten
„Frozen Guardians“ – Märchenlandschaft in der Türke
Fotos © Tom Jacobi
Lost Places
Von tg
„Die Eindrücke und die Atmosphäre sind einzigartig und begleiten mich nach jedem Besuch für eine lange Zeit. Alles scheint sich hier zu verlangsamen, und man kommt
unweigerlich zur Ruhe.“
Nach „Nostalgia“, seiner persönlichen „Liebeserklärung“ an ein Land, dass ihn „vom ersten Moment an sehr beeindruckt hat“, ist Sven Fennema wieder quer durch
Italien gereist. Auf der Suche nach dem „Zauber vergangener Welten“ hat er mit der Digitalkamera eindrucksvoll Lost Places in Szene gesetzt. Das sind vergessene, dem Verfall preisgegebene Orte
ohne Hektik und Lärm, die sich die Natur zurückerobert.
Der über 4 kg schwere, großformatige Bildband „Melancholia“ zeigt ausgestorbene Bergdörfer, leer stehende Kapellen, Sanatorien, Ruinen moderner Industrie, mal
finster, mal von Licht durchflutet. Unbewohnte, ehemals prachtvolle Palazzi und Villen. Menschenleere Kirchen, im stillen Gebet versunken, Grabstätten, die niemand mehr besucht, Theater und
Kinos, bei denen der letzte Vorhang längst gefallen ist.
Fennema hat seine Leidenschaft und Faszination für diese unwirklich scheinenden Stätten voller morbidem Charme hervorragend in kraftvolle, poetische, von
Melancholie durchtränkte Fotografien umgesetzt. Immer mit dem Blick für Komposition, Perspektive, Farbe, Struktur, Stimmung, Licht, Schatten, Details. Und der nötigen Ehrfurcht. Denn viele
Aufnahmen zeugen auch von Armut, Leid, Ungerechtigkeit und Tod.
„Melancholia – Zauber vergangener Welten“ von Sven Fennema. Mit Texten von Petra Reski, Frederking & Thaler Verlag, 320 Seiten mit ca. 200 Abbildungen, Hardcover mit Leineneinband.
VENTILATORE I: Der Außenbereich eines stillgelegten Kraftwerks © Sven Fennema/F&T
HEATERNAL: Weite Teile dieser toskanischen Villa sind bereits zusammengefallen © Sven Fennema/F&T
SALVATORE: Alte Kirche am Hang eines Berges im noch winterlichen Kalabrien © Sven Fennema/F&T