Selbstverwirklichung – was ist das genau? Der Wunsch nach Selbstverwirklichung ist in jedem Menschen angelegt. Selbstwahrnehmung und Selbsterkenntnis sind die Basis für Selbstverwirklichung. Selbstverwirklichung ist Antrieb für spirituelle Erforschung und inneres Wachstum, für Individualisierung, für die Suche nach Sinn und Tiefe. Die Definitionen von Selbstverwirklichung fallen unterschiedlich aus. Östliche traditionelle Weisheitslehren betonen den "weglosen Weg" zur tiefen Erkenntnis der Einheit mit der Quelle, dem göttlichen Seinsgrund jenseits von Zeit und Raum. In westlicher Philosophie und Psychologie geht es bei Selbstverwirklichung um Transformation des Egos und um Evolution, darum, das eigene Potenzial auszuschöpfen. Der Integrale Ansatz von Ken Wilber vereint beide Ansätze – also Sein und Werden – und definiert Selbstverwirklichung als Zusammenwirken von nondualer Zustandserfahrung und Bewusstseinsentwicklung in der Dualität der materiellen Welt. Erst das "Sowohl-als-auch" horizontaler und vertikaler Selbstverwirklichung (Wilber-Combs-Raster) ergibt also aus integraler Sicht eine wirklich umfassende Form der Selbstverwirklichung.
Achtsamkeit
Arbeit & Motivation
Atem
Bewusste Bewegung
Bewusste Ernährung
Interview
Coaching
Energiearbeit
Homöopathie
Körperbewusstsein
Körpertherapie
Kreativer Impuls
Krise als Chance
Interview
Liebe
Loslassen
Massage
Meditation
Mut zu Veränderung
Neues Denken
Psychotherapie
Seele
Selbstverwirklichung
Spiritualität
Wahrnehmung und Wahrheit
Nicht nur Kinder haben ihre Lieblings-
geschichten, die sie immer wieder hören wollen, sondern auch wir Erwachsene werden von Märchen, Geschichten oder auch Filmen begleitet, die wir besonders schön und faszinierend finden, wobei wir
eigentlich nicht so recht wissen, warum. Immer taucht in einer solchen Berührtheit von bestimmten Motiven etwas im Menschen auf, das oft nicht ernst genommen wird – nach dem Motto: „Das ist doch
nur eine Geschichte“. Von Anna-Maria Lösche, Weiblichkeits- und Tanzpädagogin,
Fachreferentin für ganzheitliche Frauenarbeit, Dozentin, Therapeutic Touch Practitioner,
Wunstorf
Doch im Wesen und Weg all der Heldinnen und Helden können wir etwas von uns selbst erkennen. Da klingt etwas in uns an. In unserer Berührtheit und Begeisterung
spiegelt sich ein Anteil von uns, der meist im Unbewussten schlummert, doch aus dem Verborgenen wirkt und sich im Erkennen wie ein roter Faden durch unser Leben zieht – der Impuls des
einzigartigen Selbst. Viele mögen da sagen: „Einzigartig? Ich doch nicht. Ich bin doch ganz normal.“ Und doch gibt es in jeder, jedem von uns diese einzigartige Melodie, die Gott durch uns zum
Klingen bringen möchte. Jeder Mensch ist wie ein Instrument, auf dem die universelle Liebe ein einzigartiges Lied spielt. Märchen oder Geschichten bringen diese Melodie zum Klingen. Es ist ein spannender Weg der Selbsterkenntnis, diese Kraft aus dem Unbewussten zu heben und
sich über die eigene Besonderheit mit ihren Fähigkeiten, Chancen und Begabungen klar zu werden. Sich des einzigartigen Selbst bewusst zu sein und aus ihm heraus zu leben, bedeutet Glück und
Erfüllung, vollständig unabhängig von äußeren Erfolgen. Das einzigartige Selbst ist eine tiefe Sehnsucht in uns.
Der Weg über Märchen, Symbole und Bilder ist deswegen so interessant, weil er nicht über unsere vorgefasste Meinung von uns selbst, unsere Konditionierungen und den Verstand geht, sondern durch
den offenen, spielerischen Raum der Fantasie. Einen Raum, den wir als Erwachsene nur noch selten betreten und der doch unerkannte Schätze für uns bereithält. Um das Ganze näher zu erläutern,
möchte ich ein wenig von meinem eigenen Weg erzählen und wie mir ein Märchen etwas von meinem einzigartigen Selbst gezeigt hat, noch bevor ich diesen Begriff oder das Wort „Spiritualität“ überhaupt kannte. Denn Märchen sind spirituelle Geschichten. Sie erzählen von der ewigen Suche des Menschen nach dem Wahren,
Schönen und Guten, erzählen von Resilienz, von unglaublicher Kreativität, selbst die schwierigsten Krisen zu bewältigen und gestärkt aus ihnen hervorzugehen. Sie erzählen von Prozessen der Menschwerdung in Liebe
und Vertrauen. Aus der Sammlung der Brüder Grimm, die ich als Kind so oft gelesen habe, war es immer „Allerleirauh“ (KHM 65), die mich ganz besonders berührt hat. Es ist die Geschichte einer vom
Vater verletzten Königstochter, die sich in einem hohlen Baum verkriecht, in „Ställchen“ und Küche ein Aschenputteldasein fristet und nacheinander in den Kleidern von Sonne, Mond und Sternen auf
den Ball des Königs kommt und mit dem König tanzt. Dieses „Rauhtierchen“ ist ein erniedrigtes Wesen, das sich vollständig in einem Mantel aus „tausenderlei Pelz“ verbirgt und es nicht wagt, sich
in ihrer wahren Schönheit als Köngskind zu zeigen. Sie erscheint als wunderschöne Frau und verschwindet wieder unter dem Flickenmantel und in ihrem dunklen „Ställchen unter der Treppe“.
Nach meiner frühen kindlichen Begeisterung hat mich dieses Märchen nie losgelassen. Schon seit langem empfinde ich die Geschichte von Allerleirauh als Entwicklungsweg einer Frau, den ich selbst
gegangen bin, noch weitergehe und auch als den Impuls meiner Arbeit des weiblichen Weges mit Frauen. Der weibliche Weg geht immer nach innen, in den Rückzug, die Stille und das Alleinsein. Der Mantel aus „tausenderlei Pelz“ ist das Symbol für die wilde
Instinktnatur, diesen Schutzraum, in dem wir Frauen, die wir alle mehr oder weniger vom Patriarchat verletzt sind, uns auf unsere weiblichen Urkräfte besinnen und regenerieren können. Dieser Ort
liegt im Inneren und ist der Bauch- und Beckenraum, unser Schoßraum. Alle Heilwege für Frauen beginnen genau hier und es gibt heute viele Möglichkeiten, den Schoßraum zu heilen und dort dauerhaft
Heimat zu finden. Mein Weg ging und geht immer weiter über den Tanz, insbesondere den Bauchtanz und natürlich über eine meditative, achtsame, sanfte und hingebungsvolle Atem-
und Körperarbeit. Atmen und fühlen – jederzeit. Sich spüren im Schoßraum – jeden Abend vor dem Einschlafen.
Zum Heilungsprozess unter dem „Mantel von Rauhwerk“ gehören weiterhin intensive Aufenthalte in der (Wild-)Natur. Ich liebe unsere Erde, ich liebe es, in hohlen Bäumen zu sitzen und zu meditieren,
im Moos zu liegen, mich im Wasser zu spiegeln, den Vögeln zu lauschen und was es sonst noch alles an wunderbaren Erlebnissen gibt, wenn frau sich der Natur anvertraut. Allerleirauh zeigt, wie
eine Frau aus dem Rückzug in ihr wildnatürliches Sein ihre Seele, ihr Potenzial und ihr inneres Königinnentum – ihr Geburtsrecht neu entfalten
und zu großer Stärke und Strahlkraft kommen kann. Die Kleider von Sonne, Mond und Sternen, die sie nach und nach überstreift, sind das Symbol für ein wahrhaft umfassendes Frau- und Menschsein,
das im Bewusstsein der großen Kräfte der Schöpfung ist. Die Sonne steht für die feurige Energie des Männlichen, der Mond für die empfängliche des Weiblichen und die Sterne für das Wissen
kosmischer, göttlicher Zusammenhänge, für das All, das All-eins-sein mit Gott. Allerleirauh zeigt mir, meiner Sehnsucht zu folgen, immer mehr von der Tiefe des Seins zu erfahren, sie zu leben und
in ihr aufzugehen. Alle Protagonisten, die in einer Geschichte erscheinen, können als Anteile einer Persönlichkeit gesehen werden. Allerleirauh traut sich bis zum Schluss nicht, zu ihrer im
Verborgenen gewachsenen Seelenschönheit zu stehen und sich darin zu zeigen. Sie befindet sich in einem Schwellenprozess, in dem sie sich immer wieder in den schützenden, weiblichen Pol der
Unsichtbarkeit zurückzieht. Da braucht es dann die männliche Energie des Königs, der ihr am Ende mit einem Ruck der Entschlossenheit den Pelzmantel abzieht, dass das Sternenkleid hervorleuchtet
und sie sich nicht länger verstecken kann. Auf meinem Weg musste auch ich lernen, mutige Schritte zu tun, um die „im stillen Kämmerlein“ entwickelten Ideen und Projekte auch tatsächlich
umzusetzen und in die Welt zu bringen. Als Kind war ich sehr schüchtern. Weil ich stotterte, traute ich mich kaum, den Mund aufzumachen. Ich hatte jedoch Kraft und auch die Möglichkeiten, mir
eigene Räume zu erschaffen, in denen ich das, was in meiner Seele lebte, ausdrücken konnte. Das war natürlich nicht immer von Erfolg gekrönt,
doch der Impuls meines einzigartigen Selbst war immer stärker als die Angst vor dem Scheitern. Sich an die Lieblingsgeschichte der Kindheit erinnern oder vielleicht nochmal einen Lieblingsfilm
anschauen – lassen wir doch unsere Fantasie und die Magie der Bilder zu uns sprechen! Die Energie des einzigartigen Selbst erinnert uns daran, dass wir alle Königskinder und Sternengeborene sind
– und jeder Mensch das auf einzigartige Weise verkörpert. Wer sein einzigartiges Selbst mithilfe seines Lieblingsmärchens erkennen möchte, nutzt das Angebot „Märchen als Spiegel der Seele“.
Wir alle kennen diesen Werbeslogan eines weltweit bekannten Unternehmens. Doch was hat dieser Slogan mit dem Thema "Selbstverwirklichung" zu
tun? Von Christiane Biemer, Diplom-Pädagogin, Psychologin, systemische Familien- und Paartherapeutin, Bielefeld
Im Laufe seines Lebens kommt fast jeder Mensch mindestens einmal an einen Punkt, an dem er zunächst nur vage und schließlich immer deutlicher spürt: so habe ich mir mein Leben nicht vorgestellt. Das kann sich auf den Beruf, die Partnerschaft, Familie oder ganz individuelle Eigenschaften bzw. Verhaltensweisen beziehen. Irgendwann wird die Unzufriedenheit so groß, dass sie mich antreibt, etwas in meinem Leben zu verändern. Oft ist es sinnvoll, sich zur Wegbegleitung professionelle Hilfe zu suchen. Denn: Was genau hindert einen Menschen daran, bestimmte Dinge für sich zu verändern? Vielfach sind es alte Glaubenssätze und Restriktionen aus der Herkunftsfamilie, die weiterhin wirksam sind und Weiterentwicklung erschweren. Die Offenlegung und Bewusstmachung ist das Eine. In einem nächsten Schritt geht es darum zu prüfen, inwieweit diese "alten", bislang übernommenen Sichtweisen … in mein heutiges Leben passen, was ich ablegen möchte, weil es mich in meiner weiteren Entwicklung hemmt. Am Ende ist es wichtig, mir selbst die "Erlaubnis" zu geben, neue Wege zu gehen.
Als Menschen können wir gar nicht anders, als unser Selbst zu verwirklichen. Jeder Mensch, ganz egal was er tut und wie er es tut, ist in jedem Moment seines Lebens dabei, sich zu verwirklichen. Von Antje Uffmann, HP (Psych.), Bielefeld
Ich bin gewandert bis ans Meer, bis ans Ufer meiner Seele, im feuchten Sand, die Füße schwer, fragst du mich, warum ich das
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Selbsterkenntnis
Von tg
"Das vorliegende Buch versucht, sich den Fragen der Menschheit nach dem Grund unserer Existenz und der Frage nach Gott zu nähern, wobei ich verschiedene, ja, sogar gegensätzliche Thesen diskutiere. Dies ermöglicht es dem Leser, sich selbst eine Meinung zu bilden."
In seiner Veröffentlichung versucht Volker J. Becker, die Aussagen östlicher Mystiker, moderner Wissenschaftler sowie westlicher Philosophen und Theologen sinnvoll
zu vereinigen.
Er sieht den Zweifel als eine spirituelle Gabe des Menschen an, "um vom einfachen Glauben zur unmittelbaren Erfahrung des Göttlichen vorzudringen und wirkliche Selbsterkenntnis zu erlangen."
Themen: "Wie das Gehirn sein Ich erschafft", "Gott und die Evolution. Von Darwin bis Dawkins", "Gottes Wahrscheinlichkeit. Das Bayes-Theorem" ...
"Am 8. Tag schuf Gott den Zweifel" von Volker J. Becker, E-Book, Lotos Verlag, 176 Seiten.
Selbstwahrnehmung und Selbsterkenntnis sind die Basis für Selbstverwirklichung – ein Streben, dass offensichtlich im Menschen angelegt ist, aber nicht zu
allen Zeiten bewusst erkannt wurde und auch nicht im Fokus des Interesses lag. Von tg
Die Definitionen von "Selbstverwirklichung" fallen unterschiedlich aus, bereits die Begriffe "Selbst" und "Ich" bieten jede Menge Diskussionsstoff. Einig sind sich die meisten darin, dass es eine "falsche" Ich-Identität gibt – das Ego. Und ein wahres Selbst – den göttlichen Urgrund, die ewige, zeitlose Quelle unseres wahren Seins. Dessen Existenz wir vergessen haben, das es also gilt, wieder wahrzunehmen, zu erkennen und dadurch zu verwirklichen. Mithilfe der Kontemplation "Wer bin ich?" kehren wir zu unserem wahren Selbst "zurück". Östliche Weisheitstraditionen betonen diesen "weglosen Weg" zur Selbstverwirklichung durch die Entlarvung des Egos, durch die tiefe Erkenntnis der Einheit. Dabei wird (fast immer) das manifestierte Leben in der Dualität als Illusion, als "irreführender Ersatz" bezeichnet.
Östliche Weisheit und westliche Bewusstseinsforschung
In westlicher Philosophie und Psychologie geht es um Transformation des Egos, um "Ich-Transzendenz", darum, begrenzende Strukturen und Sichtweisen, Verletzungen und Schatten der Persönlichkeit zu bearbeiten, um zu seelischer Gesundheit zu gelangen. Maslows Bedürfnispyramide ordnet Selbstverwirklichung ganz oben ein, als Wunsch, das eigene Potenzial auszuschöpfen. Hier wird ein Entwicklungsweg sichtbar, der (auch) eine aktive Beteiligung in Form von innerer Arbeit benötigt.
Wie passen nun östliche Weisheit und westliche Bewusstseinsforschung zusammen? "Reicht" die Zustandserfahrung des Einsseins oder müssen wir uns Selbstverwirklichung im "illusorischen" irdischen Alltag erarbeiten?
Ken Wilber hat mit seinem Integralen Ansatz diese beiden scheinbaren Widersprüche so einfach wie genial miteinander in Beziehung gesetzt. Das Wilber-Combs-Raster zeigt den Zusammenhang von vertikaler menschlicher Evolution und horizontalen Zuständen bzw. Zustandserfahrungen, deren oberstes, spirituelles Ziel das Eintauchen in nonduales "reines Sein" ist. Wilber weist auf die "fünfte Kraft" des Universums hin (Eros/Liebe/GEIST), beginnend mit dem Urknall, die einen selbstorganisierenden Antrieb hat und nach höherer Komplexität strebt. Und nun den Punkt erlangt hat, das GEIST (göttlicher Seinsgrund) sich selbst erkennt, in der Dualität, in der Form, in uns Menschen. Dies ist keine Illusion, sondern Ergebnis ernsthafter Forschungen (z. B. "Spiral Dynamics" von Clare Graves und Don Beck oder "Selbst-Entwicklung" von Susanne Cook-Greuter), die belegen, dass sich Bewusstsein stufenförmig weiterentwickelt. Vereinfacht betrachtet von Körper zu Geist (Verstand) zu Seele, von egozentrisch zu ethnozentrisch zu weltzentrisch. Zustände, die Einheitserfahrungen einschließen, können auf jeder der Entwicklungsstufen bzw. -ebenen auftreten.
Verweilen und lustvoll fortschreiten
Aus integraler Sicht erfolgt Selbstverwirklichung also durch das tiefe Erkennen unseres göttlichen Seinsgrunds und gleichermaßen dank manifester Erfahrung unserer Göttlichkeit, die wir als uns stetig entwickelnder Mensch zum Ausdruck bringen. Wir können Eros, diesen kreativen Impuls, der seit Beginn der Zeit in uns und durch uns wirkt, in gewissem Maß willentlich beeinflussen – dahingehend, dass wir Bewusstseinsarbeit praktizieren, unser Ego transzendieren und zu integralen Ebenen "aufsteigen". Gleichzeitig stärken wir unseren Seinsgrund, z. B. durch Kontemplation und Meditation. Wir kommen von einer Sichtweise des "Entweder-oder" zu einem (paradoxen) "Sowohl-als-auch".
Selbstverwirklichung erhält durch das Wissen um Entwicklungsstufen eine gleichgewichtige Komponente, die den "weglosen Weg" östlicher Weisheitstraditionen, das Verweilen im Hier und Jetzt, um das lustvolle Fortschreiten in allen Formen der sicht- und erfahrbaren Welt erweitert. Ein Fortschreiten, das transzendiert und integriert und immer mehr Liebe, Mitgefühl, Verbundenheit und Freiheit freisetzt. Integrale spirituelle Praxis führt das Selbst, dass sich in seiner absoluten Verbundenheit und relativen Einzigartigkeit erfährt, auch über sich selbst hinaus, aus der Perspektive der ersten Person (Ich) zur Perspektive der zweiten Person (Wir) und zur Perspektive der dritten Person (Es). Integrale Selbstverwirklichung schließt letzlich alle Lebewesen, die gesamte (manifeste) Welt mit ein, denn sie ist nicht selbstsüchtig, sondern erfüllt, so erfüllt, dass sie unweigerlich überfließt.
„Eigentlich bin ich ganz anders, ich komm’ nur viel zu selten dazu. Du machst hier grad‘ mit einem Bekanntschaft, den ich genauso wenig kenne wie du“, singt Udo Lindenberg, unter Anlehnung an ein Zitat von Ödön von Horváth, in seinem Hammer-Hit „Ganz anders“. Und verspricht: „Ich bin gar nicht der Typ, den jeder in mir sieht, und das werd’ ich euch bei Zeiten auch alles noch beweisen.“ Von tg
Stimmt das? Leben wir nur ab und an das Leben, nach dem wir uns sehnen? Weil wir uns selbst nicht kennen? Weil wir uns lieber anpassen? Die tägliche Routine unsere Möglichkeiten überschattet und wir die Erfüllung unserer Träume auf später verschieben? Um endlich unser Ding zu machen, „egal was die andern sagen“. Wenn’s sein muss, „gegen die Strömung, gegen den Wind“.
Keine Panik! Eins ist gewiss: „Wir sind ein Wunder – du und ich“. Vertrödeln wir nicht die Zeit. Machen wir uns auf die Suche nach diesem Wunder. Hier und jetzt. Wissen wir erst mal, wer
wir sind und was uns zu einem Individuum macht, müssen wir weder uns selbst noch anderen etwas vormachen oder beweisen. Dann können wir sein wie wir sind, uns voll entfalten und einzigartig
handeln.
Willkommen im Nichts!
(Spirituelle) Menschen sind daran interessiert, mehr über sich selbst herauszufinden. Die Zauberworte heißen Selbsterkenntmis und Selbstverwirklichung. Bei der Meditation geht es u.a. darum, sich in die Frage „Wer bin ich?“ zu versenken und zum göttlichen Kern vorzustoßen, dem zeitlos und ewig währenden Seinsgrund. Hier entdecken
wir unser wahres, wirkliches, höheres Selbst und unser Bewusstsein erwacht. Wir sind all-eins mit dem gesamten Universum. Die Suche ist vorbei, denn was wir im Außen gesucht haben, war immer
schon da. Wir müssen nur nach innen schauen, Vorstellungen und Konzepte über uns und die Welt auflösen und in den Zustand unserer wahren Natur eintauchen. Derart überwinden wir unsere falsche
Ich-Identität, das kleine, relative, getrennte, endliche, egoistische Selbst mit seinen Beschränkungen, Anhaftungen und leidvollen Erlebnissen.
„Erleuchtung führt zur Disidentifikation von den Erfahrungen der Sinne und dadurch zur Befreiung von den psychologischen Nöten des Denkens und Fühlens, die illusorisch sind“, sagt Ramesh S.
Balsekar, ein Vertreter der indischen Weisheitslehre der Nicht-Dualität, Advaita. „Dich, der du für andere eine individuelle Wesenheit mit Form, Substanz und bestimmten Vorstellungen zu sein
scheinst, gibt es einfach nicht. Du bist als du selbst einfach nichts.“
Hoppla!
Das innere Lächeln
Ich bin also nicht das, was ich zu sein scheine und auch nicht das, was ich zu sein glaube. Als Individuum bin ich ein Nichts. Meine wahre Natur ist ein universales, unverfälschtes,
ganzheitliches Selbst, in dem sich meine Persönlichkeit in etwas Großem, Vollkommenen, Faszinierenden und Unfassbaren auflöst. Und auch – Udo wird es ungern hören – in etwas Unbeweisbarem.
Wer einmal sein wahres Selbst erfahren hat, berichtet von Leere, Stille, Licht, Gnade, Glückseligkeit, Allverbundenheit, Vertrauen, Geborgenheit, Gelassenheit, vibrierender Energie, glitzernder Pracht, von einem inneren Lächeln u. v. a. m. Und ist sich gewiss: Das bin ich in Wahrheit!
Was fange ich nun damit an? Als ein Nichts in der illusorischen Welt da draußen, mit meinen Mitmenschen, meinen Wünschen, Vorlieben, Ängsten, Problemen, dem Stress auf der Arbeit, meinem
Panikorchester?
Keine ...! Das Wunder „du und ich“ bedeutet nicht nur all-eins-sein in der Leere. Das „Nichts, das du bist“, ist vielmehr „die Fülle des Ganzen“. Mit der Verwirklichung des wahren Selbsts
erlischt die vermeintliche Dualität. Es kommt zur von spirituellen Traditionen gelehrten Einheit von Leere und Form. „Ein Mensch, der zu seinem innersten Wesenskern gefunden hat, ist so voller
Leben, dass er sein Leben über alles ergießt, wo er auch hingeht.“ (Osho)
Alles klar?
Spirituelle Mathematik
Okay. Mit der Gewissheit, dass ich allverbundene Leere bin, lebe ich den Alltag in der Fülle des Nichts. Als Mister (oder Mrs) Nobody? Oder wie oder was?
Gut möglich (und verständlich), dass einige tief durchatmen: „Moment mal, das gibt‘s doch nicht, das krieg‘ ich in meinen Kopf nicht rein“. Erleuchtung hin, Erleuchtung her – Menschen
unterscheiden sich voneinander, verhalten sich unterschiedlich, seien sie voller Leben oder voller Frust. Haben verschiedene Ansichten, Ziele, den Traum, „ein Segelboot zu klau‘n und einfach
abzuhau‘n“. Besitzen eine Fülle an subjektiven Ausdrucksmöglichkeiten, die nicht immer von einem Lächeln begleitet werden. Soll das ausschließlich unerleuchtete Illusion sein?
Keine Panik! Wir kommen der Lösung näher.
Wer schon mal beim Satsang unter der Leitung eines Gurus nach der höchsten Einheit gestrebt hat, durfte feststellen, dass Erleuchtete auf z.T. sehr spezielle und individuelle Weise Meinungen
vertreten, Dinge interpretieren und Handlungen ausführen, die mitunter wenig erleuchtet erscheinen. Eine ernüchternde wie heilsame Erfahrung.
Kann folglich (auch) das verwirklichte wahre Selbst auf dem Holzweg sein?
„Ey hör’ mal“, was der geniale, interdisziplinäre Denker Ken Wilber „dir singt“: „In allen empfindenden Wesen ist die Gesamtsumme aller
wahren Selbste eins.“ Punkt. Und jetzt kommt’s: Gleichzeitig gibt es etwas grundsätzlich Verschiedenes in jedem von uns. „Es gibt ein wahres Selbst, doch dieses manifestiert sich als und durch so
viele Perspektiven, wie es empfindende Wesen gibt.
Die Formel dafür lautet: Ein wahres Selbst + Perspektive = einzigartiges Selbst.“
Und schon „rückt die Individualität ins Blickfeld, die früher auf dem Weg zur Entdeckung des einen wahren Selbst ausgelöscht wurde.“
Gott sei Dank!
Eine Frage der Perspektive
Mithilfe von Perspektive retten wir die Individualität und erhalten unser einzigartiges Selbst. Was aber genau meint Wilber mit Perspektive? Perspektive ist die Art und Weise wie jede/r Einzelne
in und auf die Welt schaut. Dabei ist Perspektive etwas zutiefst Individuelles. Die Sichtweise, der Bezugsrahmen. Die Brille, mit der man/frau seine/ihre Umgebung wahrnimmt, interpretiert und
beurteilt. Mit allen Sinnen, mit Gedanken und Gefühlen, Körper, Geist und Seele. Gefärbt
von kulturellen und sozialen Prägungen, Charakter und Strukturen, Stärken und Schwächen. Und jede/r hat eine andere Brille auf!
Denken wir das Ganze konsequent zu Ende, dann hat nicht jede/r eine Perspektive, sondern ist eine (einzigartige) Perspektive. Frei nach Udo ausgedrückt: „Ganz tief in meinem Herzen drin, da kam
vor mir noch keiner hin“.
Sind wir etwa wieder beim kleinen, egoistischen Selbst gelandet?
Jein. Hier ist der entscheidende Knackpunkt.
Zur Erinnerung: (Östliche) Weisheitstraditionen entlarven das manifestierte Leben in der Dualität als Illusion, als „irreführenden Ersatz“. Was dabei passiert ist, dass sie auf dem (weglosen) Weg
zum wahren Selbst alles und jeden ungeprüft über Bord werfen. Trotzdem ist ein Erleuchteter, sobald er interpretiert und handelt immer noch ein Kind seiner Entwicklung. Was man/frau achtlos über
Bord schmeißt, wird als Müll wieder angeschwemmt. Therapeuten können ein Lied davon singen. Udo? „Nichts haut einen Seemann um!“
Hingegen geht es in (westlicher) Philosophie und Psychologie bei Selbstverwirklichung nicht darum, das Ego (das übrigens jede/r erst einmal entwickeln muss) zu verleugnen, sondern zu
transformieren. Kein wegloser Weg – ein hartes Stück Arbeit, bei der Ängste, verdrängte traumatische Erlebnisse, blockierende Muster, Schatten u. v. m. verstanden und möglichst integriert/geheilt
werden. So befreit sich das „kleine Selbst“ von seinen engen Begrenzungen (anstatt ins kalte Wasser geschmissen zu werden) und ist offen für Weiterentwicklung.
Moderne integrale Forschungen würdigen einerseits die durch traditionelle Weisheitslehren eingehend untersuchte Zustandserfahrung des wahren Selbsts. Andererseits – und im Gegensatz zu
traditionellen Weisheitstraditionen – integrieren sie die Erkenntnisse von Philosophie, Psychologie und Wissenschaft. Mit ihnen das Know-how über die Evolution von Mensch und Bewusstsein. In
spiritueller Hinsicht hört sich das so an: Gott (der ewige Seinsgrund, die Existenz, die Quelle, wie immer man/frau es nennen will) schaut durch mich, durch meine einzigartige Verkörperung in die
Welt, erfährt sich selbst in der Manifestation in jedem fühlenden Wesen auf einzigartige Weise. Gott will sich durch mich erkennen und hin zu mehr Liebe, Mitgefühl, Freude, Freiheit,
Verantwortung, Verständnis, Komplexität und Ganzheit aktiv entfalten. Die (gut geputzte) Brille auf der Nase, in Menschengestalt das Potenzial in der Form verwirklichen.
Noch mal zum Mitschreiben: Aus integraler Sicht erfolgt Selbsterkenntnis und Selbstverwirklichung durch das tiefe Erkennen unseres göttlichen Seinsgrunds (wahres Selbst) und gleichermaßen dank
Wertschätzung (!) der manifesten Erfahrung unserer Göttlichkeit, die wir als uns stetig entwickelnder Mensch (Perspektive) einzigartig zum Ausdruck bringen. Ein wahres Selbst + Perspektive =
einzigartiges Selbst.
Udo wird es gern hören – es lässt sich doch bei Zeiten was beweisen.
Theorie und Praxis
Wie setzen wir diese integrale Gleichung konkret um? Im Alltag, beim Segelboot klau‘n, bei dem, was uns sonst am Herzen liegt. Mit der ganz eigenen Masche?
1. Meditieren. Die beste Möglichkeit, das wahre Selbst zu entdecken, erforschen und verwirklichen. Im Alltag, im Hier und Jetzt Achtsamkeit üben. Beobachten. Präsent sein. Kurz: „aufwachen“!
2. Die Brille putzen. Das kleine Selbst mit seinen Erfolgen und Niederlagen, seinen im Laufe des Lebens entstandenen Konditionierungen, Schatten, förderlichen und behindernden Gedanken,
Gefühlen, Verhaltensweisen aufrichtig und liebevoll erforschen. Die Selbst-Identität dabei wertschätzen, ihre Begrenzungen liebevoll aufweichen und über sich selbst hinauswachsen. Das kann
man/frau in einer professionell geleiteten Selbsterfahrungsgruppe machen, die sich dieser Thematiken annimmt. In der Gemeinschaft bekommt man/frau Feedback und Unterstützung. Stellt zudem fest:
Ich bin nicht der/die Einzige mit Problemen auf der Suche nach Identität. Bei schweren Traumata ist eine Psychotherapie sinnvoll. Das
Thema insgesamt: „aufräumen“!
3. Wissen. Beschäftigung mit der Evolution des Bewusstseins mithilfe des integralen Ansatzes. Buchtipps: „Integrale Spiritualität“ und „Integrale Meditation“ von Ken Wilber. „Integrale
Lebenspraxis“ von Ken Wilber, Terry Patten, Adam Leonard, Marco Morelli. Perspektiven und das einzigartige Selbst rücken, theoretisch und praktisch, in den Fokus. Der Sinn: „auftauchen“ und
„aufwachsen“!
Der Weg ist das Ziel
Drei große übergeordnete Module – das wahre Selbst entdecken / das kleine Selbst kennen- und liebenlernen / integrale Theorie und Praxis – führen uns auf die Spur unserer Einzigartigkeit.
Puh! Hört sich an nach einer Sternenreise. Bis ans Ende der Welt. Ist es auch. Beinahe.
Keine ...!
„Man lebt auf dieser Welt und sucht das Glück“. Richtig, Udo. „Das kann man ja auch mal so sehen“. Ja doch. Da jede/r sowieso den Wunsch in sich trägt, sich besser zu verstehen und seinen eigenen
Weg zu gehen, warum orientierungslos herumeiern?
Meditieren geht überall und jederzeit.
Die Arbeit an und mit dem kleinen Selbst ist langwierig, anstrengend, mitunter erschütternd und braucht Neugierde, Mut und
Hilfestellung. Eine realistischere Einschätzung und wunderbare, befreiende Einsichten sind der Lohn.
Der integrale Ansatz gibt gerade spirituellen Menschen, die ausschließlich auf das unveränderliche wahre Selbst gesetzt haben, ihre
Individualität zurück und die Möglichkeit sich weiterzuentwickeln. Begriffe wie das Gute, Wahre und Schöne, Freiheit, Vielfalt, freier Wille und Verantwortung gewinnen wieder an Bedeutung.
Fähigkeiten – integral als „multiple Intelligenzen“ bezeichnet – sind als innerer Impuls spürbar und warten auf ihre Entdeckung und Entfaltung. Doch diese Talente werden jetzt weder nur aus der
radikalen Sicht eines wahren Selbsts oder nur aus dem Empfinden eines getrennten Wesens (kleines Selbst) gelebt, sondern als wahres Selbst mit einer subjektiv gefärbten Perspektive. „Das macht
die Aktivitäten eines Menschen einzigartig“, erkärt Wilber.
Der kleine Mann im Ohr
Geht es um Fähigkeiten und Talente, meldet sich schnell der innere Kritiker, die Meckertante, der kleine Mann im Ohr: „Immer schön auf dem Teppich bleiben!“ und „Auf dich hat die Welt nicht
gewartet!“ oder schlicht und einfach „Das kannst du nicht!“.
Da wir das kleine Selbst durchschaut haben (siehe Punkt 2), die Dinge von einer höheren Warte aus betrachten (Punkt 1), hören wir nicht hin. Stattdessen horchen wir in uns hinein. Gibt es etwas,
für das wir „brennen“, was wir für richtig und wichtig erachten? Was würden wir gern tun, wenn wir unseren Wünschen, Träumen, Visionen freie Fahrt gewährten? Wo liegen unsere Stärken? Sind wir
auf einem Gebiet Experte?
Begabungen und Eigenschaften befördern uns nicht zwangsläufig aufs Siegerpodest. Doch die Ausübung von Fähigkeiten, die uns zu eigen sind, fällt (häufig) leicht, lässt uns die Zeit vergessen,
gibt Zufriedenheit, erfüllt Handeln mit Sinn. Ganz nebenbei festigen, verfeinern und verbessern wir Talente (Punkt 3): (Bewusstseins-)Entwicklung fußt auf Bestehendem, schließt dieses ein und
geht stets einen Schritt weiter, überschreitet Grenzen, betritt Neuland, Stufe für Stufe.
Das menschliche Spektrum an kreativem Potenzial ist unerschöpflich. Das kann eine musikalische, eine sportliche, handwerkliche,
mathematische Fähigkeit sein. Der grüne Daumen, Fotografie, Malerei, Tanz und Kochkunst. Engagement im kulturellen und sozialen Bereich.
Talente und Eigenarten ziehen sich wie ein roter Faden durch unsere Biografie und machen uns zu introvertierten Erfindern, extrovertierten Abenteurern, einsamen Wölfen, Partylöwen, coolen
(Lebens-)Künstlern, spirituellen Suchern. Zu Menschen, die Herzensgüte, Durchsetzungsvermögen, Fantasie, Humor haben, gut zuhören, mitfühlen. „Ich war mein eigner Thriller, Original und Parodie.“
Ja, Udo. „Ich werde mich nicht ändern, werd kein anderer mehr sein, weil’s eh schon schwer genug ist, einfach nur ich zu sein.“
Ist der kleine Mann im Ohr am Zetern? Einfach mal den Partner, die Partnerin, Freunde und Freundinnen oder alle zusammen bitten, einen Brief an Sie zu verfassen, in dem sie aufschreiben, was sie
an Ihnen schätzen, lieben, gar bewundern. Immer wieder lesen. Das tut gut und beflügelt!
Zudem ist es der Mühe wert, ausgetretene Pfade zu verlassen, verwaistes Terrain zu erkunden. Manchmal stoßen wir auf eine seltene Gabe gerade dort, wo wir sie nicht vermuten.
Ein Geschenk an die Welt
Die in der Leere ruhende Existenz möchte sich durch jede/n Einzelne/n von uns, unsere essenziellen Qualitäten, unser persönliches Wachstum in der Fülle der Welt wahrnehmen und ausdrücken. Alles
ist miteinander verbunden, ist im Fluss, ist ein ständiger Lernprozess. „Lebe dein eigenes Selbst und ruhe in der Unendlichkeit“, empfiehlt Wilber, und es steigt die „tiefste Freude auf, die
überhaupt vorstellbar ist ...“
Es gilt, offen für Inspiration zu sein (Krishnamurti), an seine Berufung zu glauben (Marie Curie), ein wenig zu träumen (Walt Disney). Im Extremfall „muss man sein Herzblut vergießen“ (Carmen
Sylva) oder „systematisch Verwirrung stiften“ (Salvador Dali). Begeisterungsfähigkeit und die Sehnsucht danach, unserer Seele Ausdruck zu verleihen, ermuntert zu einfallsreichem Tun, egal in
welcher Form.
Mit all unseren unnachahmlichen Facetten tragen wir zum großen Ganzen bei. Schließlich ist das einzigartige Selbst nicht selbstsüchtig, sondern so erfüllt, dass es unweigerlich überfließt. Mal
sanft und still, mal kraftvoll und laut. Mal zarter Duft, süßer Geschmack, markanter Klang. Machen wir uns selbst und der Welt unsere Einzigartigkeit zum Geschenk! Jede/r ganz anders. „Ich geb’
dir alles, was ich bin, das ist mein Versprechen“. Danke, Udo!
Weihnachten werden im Fernsehen wieder Neuverfilmungen Grimmscher Volksmärchen gesendet. Die hohen Einschaltquoten der letzten Jahre – trotz des attraktiven Weihnachtsprogramms – zeigen die ungebrochene Begeisterung für das Märchen. Von Anna-Maria Lösche, Weiblichkeits- und Tanzpädagogin, Fachreferentin für ganzheitliche Frauenarbeit, Dozentin, Therapeutic Touch Practitioner, Wunstorf
Wer sich auch als Erwachsener die Filme angeschaut hat, wird feststellen, dass sie alle mit Feingefühl, Phantasie, Spielfreude und Liebe zum Detail gedreht wurden. Doch vor allem wurden die psychologischen Hintergründe der Märchen sehr gut herausgearbeitet, die auf die zeitlose Aktualität der Motive hinweisen: Ablösungsprozesse junger Menschen auf dem Weg zum Erwachsenwerden und die Bewältigung schwieriger, oftmals aussichtslos erscheinender Lebenssituationen.
Wie schaffen es Märchenhelden und -heldinnen vom bettelarmen, schlecht behandelten und verachteten Menschenwesen zu königlichen Ehren und Reichtum zu kommen?
In Anbetracht der aktuellen gesellschaftlichen Situation ist es durchaus interessant, das einmal anzuschauen. Das König-/Königinnentum ist eine Metapher für das innere Königreich, das ich einnehme als meine Gabe, mein Potenzial, als das Schöne, das Gute und das Wahre, das durch mich in die Welt kommt.
Schon auf den ersten Blick lehren die Märchen Liebe, Demut und Mitgefühl als ausschlaggebende Faktoren auf dem Weg zu diesem Königreich. Im Gegensatz dazu werden Habgier, Hochmut und Grausamkeit eindeutig abgemahnt. Die Strategien, um Probleme zu lösen, sind vielfältig. Aber eines steht immer am Anfang: Das Märchen beginnt mit etwas, das zu Ende gegangen ist – etwas ging verloren, etwas wird entbehrt – und der Entscheidung der Hauptperson, das Schicksal nicht einfach hinzunehmen, sondern selbst aktiv zu werden und loszugehen.
Bis ans Ende der Welt
Die Aufgaben, die auf dem Weg erscheinen, können oft nur mit Unterstützung von Helferwesen menschlicher, tierischer oder zauberhafter Natur bewältigt werden. Diese begegnen den Helden als hässliche, unscheinbare, bedürftige Wesen, die um etwas bitten, das mit Freundlichkeit und Mitgefühl gegeben wird. Diejenigen, die achtlos und hochmütig vorbeigehen, bezahlen dafür mit Entmachtung durch Verzaubertwerden, mit Erniedrigung oder sogar mit dem Tod. Wer nicht auf das Leid der anderen achtet, bringt sich um die Chance, seinen Weg erfolgreich abzuschließen. Denn in den verachteten Wesen liegt der Schlüssel zum Gelingen.
Fleiß und Bescheidenheit sind zwei weitere Meilensteine auf dem Weg, die recht verstaubt und antiquiert klingen. Außerdem sind sie vor allem für Frauen mit der Unterdrückungsstrategie von Jahrhunderten behaftet, sich gefälligst fleißig und bescheiden im Hintergrund zu halten.
Aufs Heutige übersetzt, können Fleiß und Bescheidenheit bedeuten, konsequent, mit ganzem Einsatz ein Ziel zu verfolgen ("an etwas dranbleiben") und dabei ohne überzogene Ansprüche, maßvoll mit sich selbst und den vorhandenen Ressourcen umzugehen.
Oft werden aber auch fast übermenschliche Anstrengung und Geduld gefordert: In Eisenschuhen bis ans Ende der Welt zu gehen, schweigend Hemden aus Brennesseln herzustellen oder jahrelang blind durch die Wildnis zu irren. Es scheint in den Märchen immer wichtig zu sein, bis zum letzten alles zu geben, bis Erfüllung und Erlösung kommen können. Hingabe und Opferbereitschaft sind für das nötig, was man liebt, erstrebt, ersehnt. Da gibt es keine schnellen Lösungen, keine "Light"-Entwürfe. Die Zeit muss reif sein, da wird das menschliche Herz durch Entbehrungen und Verzicht zu Gold geschmiedet.
Und wenn der Weg bis zu Ende gegangen ist, erwarten die Heldin/den Helden dann noch die Konfrontation mit der Todesangst. Sie stellen sich Dämonen, Tod und Teufel entgegen, um für ihr Ziel zu kämpfen. Begleitet von ihren Helferwesen, entwickeln sie den Mut, mit aller Konsequenz für das einzustehen, was ihnen am Herzen liegt.
Das "Böse" zu vernichten hat nichts Moralisierendes an sich, sondern bedeutet, die Grenze den Wächtern in uns aufzuzeigen, die uns davon abhalten unser Potenzial von Liebe und Kreativität zu erfüllen.
Weibliche Sprache der Seele
Die Sprache der Märchen ist drastisch. Sie entstammt der weiblichen Sprache der Seele, die – ähnlich wie in Träumen – übertreibt, um auf etwas aufmerksam zu machen. Die Herzens- und Lebensschule der Märchen greift mit ihren Symbolen und Bildern nicht über den Verstand, sondern über die weiblichen Wege der Phantasie und des intuitiven Wissens, Wege, die durch die Überbetonung des Rationalen ziemlich zugewachsen sind, die sich aber auch jederzeit wieder lichten können.
Lieblingsmärchen der Kindheit, betrachtet mit einem erwachsenen, spirituell gebildeten Geist, können sich durchaus als wertvolle Helfer auf dem Lebensweg entpuppen und verborgene Themen zum Vorschein bringen, die noch der Erlösung bedürfen oder nicht ausgeschöpfte Potenziale erkennen lassen.
Märchen sind eben ursprünglich nicht als Kinderunterhaltung gedacht gewesen, sondern bringen damals wie heute Botschaften aus dem unerschöpflichen Reservoir menschlicher Entwicklungsmöglichkeiten.
Das Ego lieben heißt seine Bedeutung, seinen Wert und seine Funktion anerkennen und es gleichzeitig auch in seiner Begrenztheit und seiner begrenzenden Wirkung zu erkennen. Von Vandan Ulf Münkemüller, HP (Psych.), Bielefeld
Da allein schon der Begriff "Ego" inzwischen negativ beladen ist, nenne ich diesen Aspekt unserer Psyche "Retter & Beschützer", denn das bezeichnet und anerkennt, auf eine liebevolle Weise, seine Funktion.
Wenn ich mein Ego geringschätze und ablehne, stärke ich es auf subtile Art, denn es ist letztlich das Ego selbst, das sich ablehnt und bekämpft. Wenn ich möchte, dass es sich beruhigt und den Weg freimacht für mehr Sinn und Liebe, für mehr Lebendigkeit in meinem Leben, muss ich es anerkennen und lieben lernen.
Unser Ego hat sich notwendigerweise, vom Beginn unseres Erdendaseins an entwickelt, um unser Leben zu retten und zu beschützen. Ohne unser Ego wären wir gar nicht mehr hier, wir wären längst gestorben, und unsere Seele hätte nicht mehr die Möglichkeit, in diesem Körper weitere Erfahrungen zu machen, sich in diesem Leben weiter zu entfalten.
Unser "Retter & Beschützer" sorgt dafür, dass wir am Leben bleiben, indem er unerträgliche Gefühle und Impulse unterdrückt, sie ins Unterbewusstsein verschiebt und dort sozusagen zwischenlagert, solange die Wahrnehmung und der Ausdruck dieser Gefühle und Impulse real lebensbedrohlich ist oder scheint. Außerdem sorgt er mit allen erdenkbaren Tricks und Mechanismen dafür, dass wir in der Mangelsituation unseres späteren Lebens an möglichst viel Energie in Form von Anerkennung und materiellen Gütern kommen.
Das Ego ist überzeugt, in einer feindlichen Welt zu leben, es handelt aus Angst vor dem Tod und nicht aus Liebe. Sein Ziel ist es, das Überleben des Körpers zu sichern und damit die Basis unseres Menschseins. Das ist seine Aufgabe, seine Funktion und auch seine Leistung, und hierfür verdient es wahrhaft unseren Dank und unsere Anerkennung.
Was das Ego nicht leisten kann, ist mehr Liebe, mehr Lebendigkeit und damit mehr Sinn in unser Leben zu bringen, denn gerade durch die Reduzierung unserer Lebendigkeit hat es uns ja gerettet und tut dies vermeintlich auch noch heute.
Wenn wir unsere Bedürfnisse nach mehr Liebe, Sinn und Leben erfüllen wollen, brauchen wir einen Weg am Ego vorbei. Als unser „Retter und Beschützer“ steht es wie ein Türwächter an der Pforte unseres Unterbewusstseins und verhindert das Auftauchen unterdrückter Gefühle und Impulse, da diese von ihm noch immer als lebensbedrohlich erlebt und bewertet werden.
Wenn wir heilen und uns entwickeln wollen, muss das Ego diesen Weg freimachen, es muss an die Seite treten und sich entspannen, und das kann und tut es eben nicht, wenn es bekämpft und abgelehnt wird.
Bekommt es hingegen die ihm gebührende Liebe und Anerkennung, entspannt es sich gern, schont seine Kräfte für echte Notsituationen und ermöglicht dadurch die wirklich wunderbare Entwicklung und Entfaltung unseres seelischen Potenzials.
Laut Duden sind Echtheit, Glaubwürdigkeit, Sicherheit, Verlässlichkeit, Wahrheit und Zuverlässigkeit Synonyme für "Authentizität". Man kann guten Gewissens behaupten, dass dieser Begriff
positiv besetzt ist. Von tg
Als authentisch gelten z. B. vom Gesetzgeber veröffentlichte Wortlaute einer Bestimmung oder für echt befundene Artefakte. Bestimmte "ursprünglich tonangebende" Kirchentonleitern werden als authentisch bezeichnet. Ebenso – von seinen Fans – ein Rockstar, der auf eindringliche Art und Weise von Dingen "erzählt", die er am eigenen Leib erfahren und erlebt haben muss. Am letzten Beispiel merken wir, dass an ihrer Authentizität gemessene Personen uns emotional stark berühren können, und dass unsere Einschätzung – unser eigenes Authentischsein eingeschlossen – subjektiv ist und nicht unbedingt zutreffend sein muss.
Lassen wir Gesetze, Artefakte und Kirchentonleitern außen vor, bleiben wir beim Menschen. Psychoanalytiker, Philosoph und Sozialpsychologe Erich Fromm benennt wichtige Kriterien für Authentizität: "Wissen was die eigene Person ausmacht. Bewusst aus eigenen Quellen leben. An die seelischen Ressourcen kommen, keine Fassadenexistenz führen ..." Wir dürfen also nicht im "oberflächlichen Nachmachen" steckenbleiben. Erst ein langer, aufrichtiger Entwicklungsweg führt uns zu Selbsterkenntnis und Bewusstsein. Was uns wirklich authentisch macht, ist ein tief empfundener, er-füll-ter individueller Ausdruck unserer Einzigartigkeit.
Dreh- und Angelpunkt ist der Körper. Ihn wirklich zu fühlen, als lebendigen Seinsort, als innere Heimat, ist die Voraussetzung für authentische Bewegung im und durchs Leben. Das zu erfahren geht zuallererst in Ruhe. Wir müssen die aufgeregten, überlasteteten Sinne langsam hinunterfahren, erst einmal ankommen im Atem, im Hier und Jetzt. Wenn Bewegung aufhört und zur Ruhe kommt, erfahren wir das innere Strömen und Fließen. Wir lassen geschehen, spüren hinein und sind ganz einfach achtsam.
Aus Ruhe und Beisichsein entsteht Bewegung "aus der Mitte heraus", Bewegung, die sich anders anfühlt und anders ausdrückt, als die von Unbewusstheit, Stress und Automatismen initiierte. Unser Handeln bekommt mehr Tiefe und Verantwortung, wird variabler, fließender, offener, intuitiver, bezieht in jeder Situation viele Perspektiven ein. Und entscheidet sich für die im Moment als "richtig" erachtete Sichtweise, mit den daraus entstehenden Konsequenzen.
Natürlich ist es wichtig, dass wir Geist und Seele mit ins Boot nehmen. Bei der Innenschau gehen wir der maßgeblichen Frage "Wer bin ich?" auf den Grund und kommen unseren Blockaden, Verletzungen, Schatten, Strukturen und vielfältigen, häufig unangenehmen Emotionen auf die Spur. Es gilt, alles mit der gleichen liebevollen Zuwendung wahrzunehmen wie das, was rund (in uns) läuft. Gerade diese empfindlichen Bereiche sollten sorgsam erforscht und behandelt werden. So werden sie Stück für Stück ein bewusster Teil von uns und erfahren Heilungsimpulse. Dazu brauchen wir zudem Unterstützung von außen, etwa das Feedback unserer Umwelt und professionelle Hilfe von Therapeuten und spirituell "Bewanderten".
Entschleunigung, Achtsamkeit und Selbstfürsorge sind gerade in unserer hektischen Zeit besonders wichtig. Nur, wenn wir in einem inneren, liebevollen Kontakt mit uns (und anderen) sind, können wir in jedem Augenblick aus der Fülle unseres Potenzials schöpfen, so entstehen Stärke, Durchsetzungskraft und Hingabe an die Schönheit und das Geheimnis unserer Existenz. Dabei bedeutet authentisch sein ebenso, Schwächen akzeptieren. Fehler machen dürfen. Und diese mithilfe von Selbstreflexion und Feedback korrigieren.
Wir lernen unser wahres Selbst und unseren Platz im Kosmos besser kennen, werden zu einer "Einheit", die ihr eigenes Denken, Fühlen und Handeln als möglicht bewusst, intensiv, konsequent, sinnvoll – als stimmig und authentisch wahrnimmt. Nicht mal eben so. Nicht immer, aber immer öfter. Und voller Freude, Neugier, Liebe und Demut.