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Horowitz, Anthony: Wenn Worte töten

Spannung &  Humor

Von tg

 

„Im Verlauf der bisherigen Ermittlungen mit Hawthorne hatte ich nie etwas Wichtiges rausgekriegt. Ich hatte über ihn geschrieben, aber ich war keine wirkliche Hilfe gewesen, und es war ziemlich wahrscheinlich, dass auch meine jetzigen Überlegungen wieder mal alle falsch waren.“

 

Der geheimniskrämerische und mürrische Privatdetektiv Daniel Hawthorne begleitet seinen „Biografen“, den Autor Anthony Horowitz, zu einem Literaturfestival auf Alderney.  Horowitz, der sich hat breitschlagen lassen, drei Bücher – True Crime – über Hawthorne zu schreiben, wundert sich darüber, denn auf der kleinen Kanalinsel „gibt es so wenig Verbrechen, dass es keine eigene Polizeitruppe hat“. Doch das soll sich schnell ändern. Charles le Mesurier, der vor Kurzem noch vor „Zufriedenheit mit sich selbst“ strotzende, reiche und unsympathische Sponsor des Festivals, liegt ermordet in der „Liebesgrotte“, einem umgebauten Bunker im Garten seiner Villa. Ein Motiv hätte so ziemlich jeder Bewohner der Insel – und auch die anwesenden Literaten, die so einiges zu verbergen haben ...

 

Nach „Ein perfider Plan“ und „Mord in Highgate“ der dritte (und letzte?) Fall der Ermittler Hawthorne und Horowitz. Ganz im Stil des klassischen Detektivromans geschrieben, ist „Wenn Worte töten“ ein kluges, spannendes und humorvolles Lesevergnügen.

 

„Wenn Worte töten – Hawthorne ermittelt“ von Anthony Horowitz, Insel Verlag, 330 Seiten.

McCarten, Anthony: Going Zero

Spannung / Thriller

Von tg

 

„... unmerklich vollzieht sich der Übergang von der Überwachung durch den Staat zur Steuerung, das letzte Kapitel in der langen Geschichte der Demokratie, der freie Wille verformt zu bedingungslosem Gehorsam.“

 

 

 

1970 sorgte der Fernsehfilm „Das Millionspiel“ für Aufregung: In einer fiktionalen TV-Show treten Freiwillige an, um sieben Tage unterzutauchen, von Auftragskillern gejagt, um am Ende – sollten sie das bitterböse Spiel überleben – eine Million Deutsche Mark zu gewinnen.

 

 

 

Im Roman „Going Zero“ werden zehn ausgewählte Menschen zur Zielscheibe eines neuen, geheimen Überwachungsprojekts von Fusion, einer Vereinigung der US-Geheimdienste und des milliardenschweren Social-Media-Gigantens Cy Baxter. Aufgabe der  teilnehmenden Testpersonen, genannt „Zeros“: dreißig Tage unsichtbar bleiben. Als Preis winken drei Millionen Dollar. Ziel von Fusion: Beweisen, dass dies, dank fortschrittlicher Überwachungstechnologie, unmöglich ist. Baxter wittert das ganz große Geld und unfassbare Macht. Darüber hinaus verfolgt er persönliche Interessen und hat einiges zu verbergen. Aber auch Zero 10, die unscheinbare Bibliothekarin Kaitlyn Day, hat mehr im Sinn. Sie ist überraschend clever und frech, lehnt sich gegen das System auf und bringt Baxters Team zur Verzweiflung. Als das Projekt zu scheitern droht, setzt Baxter seine „Killer“ auf Zero 10 an.

 

 

 

Wow! Was für ein exzellentes, spannendes Buch. Ähnlich wie die Zuschauer beim TV-Klassiker „Das Millionenspiel“ scheint man/frau als Leser/in mittendrin zu sein in einer realen Menschenjagd – mit den (digitalen) Methoden des 21. Jahrhunderts. Letztlich geht es um Wahrheit und Gerechtigkeit. Um die Frage, inwieweit jede/r Einzelne bereit ist, seine/ihre Freiheit zu verkaufen oder um sie zu kämpfen.


„Going Zero“ von Anthony McCarten, Diogenes Verlag, 454 Seiten.

Disher, Garry: Funkloch

Spannung

Von tg

 

„Jemand „Er ging zum Strand hinunter und sah hinaus auf die grauen und rosa Farbtöne auf dem Meer und am Himmel. Er spürte, wie er sich entspannte. Das Leben war eigentlich ziemlich gut ..."

 

Das Leben ist eigentlich ziemlich gut, findet Inspektor Hal Challis. Eigentlich. Müsste er sich nicht mit so vielen Verbrechen gleichzeitig herumschlagen: Mord, Diebstahl, Rauschgift- und Sexualdelikte. Und dann wären da noch ein „Maulwurf“ in den eigenen Reihen, ein Betrüger, der sich an die Schwester von Hals Freundin und Geliebter Ellen Destry heranmacht, und die Kompetenzrangeleien mit der hochrangigen, ungeduldigen Serena Coolidge vom Drogendezernat aus Melbourne, die ein Auge ihn geworfen hat.


Viel Stoff für jede Menge kriminelle Verwicklungen. Und für einen mittelmäßigen Buchautor jede Menge Gelegenheiten, sich in einer unglaubwürdigen, reißerischen und effektheischenden Geschichte zu verstricken und die Leser*innen am Ende außer Atem und verwirrt zurückzulassen.


Doch Garry Disher ist ein wirklich guter Autor, der menschliche Abgründe und soziale Konflikte subtil seziert. Ein hervorragender Schriftsteller mit Gespür für Zwischentöne, der die einzelnen Erzählfäden geschickt miteinander verwebt und die komplexe Story konsequent und souverän zum Showdown führt. Mit einem sympathischen Protagonisten, der, auf Abstand zu seiner „Kundschaft“, in einem alten Farmhaus „an einer staubigen Piste landeinwärts vom Polizeirevier Waterloo“ lebt. Sowie vielschichtigen Nebenfiguren – Ellen Destry, der Kollegin Pam Murphy, dem verschlagenen Ganoven Carl Bowie –, die viel Raum erhalten, um weitere Perspektiven auf das Geschehen zu eröffnen, und emotionale Kontrapunkte zu den akribischen Ermittlungen setzen.


„Funkloch“ ist ein ausgezeichneter Kriminalroman mit Niveau und Tiefgang! Disher-Fans wird es nicht wundern – der Mann von der Südküste Australiens beherrscht sein Metier.


„Funkloch – Ein Inspector-Challis-Roman (7)“ von Garry Disher, Unionsverlag, 352 Seiten.



Rosende, Mercedes: Krokodilstränen

Spannung & schwarzer Humor

Von tg

 

„Ursula sieht sich wie aus der Ferne, sieht die Frau, die sie einmal war, die sie nicht ist und wiederum doch ist, und sie spürt, wie ihr langsam die Tränen in die Augen steigen und dann über ihre Wangen rollen. ,Krokodilstränen‘, würde ihr Vater jetzt sagen, wenn er noch sprechen könnte.“


Ein Geldtransporter rumpelt über die Schlaglöcher der Calle Rosaleda in der Altstadt von Montevideo. Früher als erwartet. Zu früh für die drei schwer bewaffneten und mehr schlecht als recht vorbereiteten Männer, die gerade nicht hundertprozentig auf dem Posten sind. Und in wenigen Augenblicken einen Raubüberfall begehen werden. Da ist zum einen der nervenschwache Germán, glückloser Kidnapper, gerade aus dem Gefängnis entlassen. Zum andern El Roto, der Kaputte, brutal und unbeherrscht. Komplettiert wird das Gaunertrio durch Doctor Antinucci, einen nikotinsüchtigen, korrupten Anwalt mit guten Kontakten zur Polizei. Der Überfall eskaliert und läuft völlig aus dem Ruder. Zeit für den großen Auftritt von Ursula López. Die Hobby-Kriminelle will sich endlich ihren Traum erfüllen. Doch sie hat Kommissarin Lima nicht auf dem Zettel.


In „Krokodilstränen“ spinnt Mercedes Rosende die Geschichte ihres Romans „Falsche Ursula“ weiter. Ein phasenweise knallharter, vor schwarzem Humor triefender Krimi, kurzweilig, kraftvoll, erfrischend anders.

   
„Krokodilstränen“ von Mercedes Rosende, Unionsverlag, 222 Seiten.

Horowitz, Anthony: Mord in Highgate

Spannung & Humor

Von tg

 

„Ach, halten Sie doch die Klappe. Ich geb’s ja zu. Ich bin nicht so schlau wie Sherlock Holmes, aber wenn Sie’s genau wissen wollen: Ich habe auch keine Lust mehr, den Watson zu spielen.“

 


Richard Pryce, wohlhabender Scheidungsanwalt, wird Opfer eines Verbrechens. Jemand hat ihn in seinem Haus, einem Gebäude von „aggressiver Modernität“, mit einer sündhaft teuren Flasche Wein erschlagen. Die Polizei tappt im Dunkeln. Privatdetektiv Daniel Hawthorne wird beauftragt, die Ermittlungen zu unterstützen. An seiner Seite sein „Biograf“ Autor Anthony Horowitz, der sich hat breitschlagen lassen, drei Bücher – True Crime – über den mürrischen, geheimniskrämerischen, rauchenden und fluchenden Detektiv zu schreiben. Horowitz, den Hawthorne nur „Tony“ oder „Sportsfreund“ nennt, hat eigentliche keine Lust, selbst als Romanfigur aufzutreten, entwickelt aber mit der Zeit kriminalistisches Interesse. Ärgerlicherweise kann er dem brillanten Hawthorne nicht das Wasser reichen. So bleibt ihm nur die Rolle eines modernen Dr. Watson, als „ewiger Begleiter, Stichwortgeber und Assistent“. Und als erzählerischer Vermittler zwischen Detektiv und Lesern.

 


Zurück zum Fall. Die berühmte feministische Autorin Akira Anno hat Pryce kurz vor dessen Ermordung bedroht. Sie hat allen Grund wütend auf ihn zu sein, aber ein Alibi für die Tatzeit. Bald gibt es einen weiteren Toten und die Zahl der Verdächtigen nimmt zu. Wie es sich für einen guten Kriminalfall gehört, hat jede/r mindestens eine Leiche im Keller und lügt wie gedruckt. Während Horowitz noch mit Überzeugung der falschen Spur folgt, weiß Hawthorne längst, wo er fündig wird ...

 


Nach „Ein perfider Plan“ der zweite Fall der Ermittler Hawthorne und Horowitz. Ganz im Stil des klassischen Detektivromans geschrieben, ist „Mord in Highgate“ ein absolutes Lesevergnügen.  Klug, humorvoll und spannend bis zum Schluss.


„Mord in Highgate“ von Anthony Horowitz, Insel Verlag, 348 Seiten.

Schmidt, Joachim B.: Kalmann

Spannung

Von tg

 

„Jemand sagte mir mal, dass jeder eine Bestimmung im Leben habe. Niemand sei zufällig hier. Nichts passiere zufällig. Alles habe eine Bedeutung, einen Sinn. Und in diesem Moment wurde mir bewusst, dass alles seine Richtigkeit hatte.“


Kalmann ist ein junger Mann Anfang dreißig und hat das Gemüt eines Kindes. Er lebt im kleinen isländischen Dorf Raufarhöfn, jagt den Polarfuchs „Schwarzkopf“ und mag doch nicht auf ihn schießen. Er fährt allein aufs Meer, um Grönlandhaie zu fangen und macht den zweitbesten Gammelhai auf der Insel. Eines Tages steht Kalmann vor einer Blutlache im Schnee und fragt sich, was Großvater jetzt wohl täte. Aber sein Großvater, der für ihn immer das Denken übernahm und ihm alles beibrachte über die Jagd, das Angeln und das Leben, kann ihm nicht helfen, er ist im Altersheim und erinnert sich an nichts. Kalmann muss also allein klarkommen und spürt, dass sich seine kleine Welt verändern wird.

 

Bald schon treffen Spezialeinheiten der Polizei ein, denn Róbert McKenzie, der „König von Raufarhövn“, dem alle Fischqoten und das einzige Hotel im Ort gehören, ist spurlos verschwunden. Kalmann wird verhört. „Kein Grund zur Sorge“, redet er sich ein. Doch wenn ihm alles über den Kopf wächst, zieht er sich in seine kleine Hütte zurück, sieht fern, trifft sich im Internet mit seinem einzigen und besten Freund Nói und wünscht sich eine Frau.

 

Als sich die Ereignisse zuspitzen und dichter Nebel aufzieht, erkennt Kalmann seine Aufgabe, seine Verantwortung. Er setzt seinen Cowboyhut auf, steckt sich den Sheriffstern an, schnallt den Pistolengürtel um die Hüfte und führt Polizistin Birna zum Steinkreis Arctic Henge, wo die Ereignisse ihren Anfang nahmen.


Eine berührende, ruhige, ganz langsam Fahrt aufnehmende Geschichte, die aus der Sicht ihres ungewöhnlichen Helden erzählt wird.


„Kalmann“ von Joachim B. Schmidt, Diogenes Verlag, 352 Seiten.



Disher, Garry: Stunde der Flut


„Zwanzig Jahre lang hatte er es nicht gewagt, um seine Mutter zu trauern. Er hatte nicht gewusst, worum er trauern sollte, mal abgesehen von ihrer Abwesenheit. Jetzt wollte er einfach nur trauern, und die Mistkerle ließen ihn nicht.“


Charlie Deravin, vom Dienst suspendierter Kriminalpolizist, lebt allein im alten Haus der Familie, einer bescheidenen Strandhütte im kleinen Ort Menlo Beach. Er vertreibt sich die Zeit, geht schwimmen und surfen, liest die Nachrichten von verheerenden Buschbränden und vom neuen Virus, das aus China stammt. Tut das, was er seit zwanzig Jahren macht – und scheinbar niemanden sonst interessiert –, er ermittelt auf eigene Faust im Fall seiner verschwundenen Mutter Rose. Sichtet alte, sucht neue Spuren. Versucht Vergangenheit und Gegenwart zu ordnen. Will nicht akzeptieren, dass nicht nur sein Bruder Liam davon überzeugt ist, dass ihr Vater Rhys seine damals bereits von ihm getrennt lebende Frau umgebracht und verscharrt hat.

 
Dann werden zwei menschliche Skelette bei Ausgrabungsarbeiten gefunden, die Überreste von Rose Deravin und eines zur gleichen Zeit verschwundenen kleinen Jungen. Die Polizei nimmt ihre Ermittlungen wieder auf, die Stimmung ist gereizt. Auf Charlie und seine Freundin Anna wird ein Mordversuch verübt, sein Vater erkrankt und arrogante Schnüffler stellen unangenehme Fragen. Die Ereignisse spitzen sich zu. Charlie muss handeln. „Die letzten paar Minuten waren völlig verrückt gewesen, doch der Strand wusste nichts davon“ –  im schimmernden Mondlicht kommt es zum unvermeidlichen Showdown.


Erstaunlich, wie der australische Autor es schafft, einen herausragenden Kriminalroman nach dem andern zu schreiben. „Stunde der Flut“ ist Disher at his best!


„Stunde der Flut“ von Garry Disher, Unionsverlag, 336 Seiten.


Disher, Garry: Leiser Tod

Spannung

Von tg

 

„Grace verbarg sich hinter Cap und Sonnenbrille, verbarg die Tatsache, dass der Tennisrock am Body mit Klettverschluss festgemacht war und dass sich in der Sporttasche Einbruchswerkzeug befand, Handschuhe und robuste Plastiksäcke.“

 


Susan Grace ist eine unter falschem Namen und in unterschiedlichen Verkleidungen auftretende junge, attraktive Frau, spezialisiert auf raffinierte Einbrüche bei wohlhabenden Mitbürgern. Ian Galt, ein korrupter Ex-Seargent der New South Wales Police, hat noch eine Rechnung mit ihr offen und heftet sich an ihre Fersen. Grace macht eigentlich nie Fehler, doch wie es das Schicksal will, laufen die Dinge aus dem Ruder.

 


Die Geschichte der „Einbruchskönigin“ Grace ist nur einer der Handlungsstränge im sechsten Teil der Inspektor-Challis-Romane. Hal Challis und seine Kollegin Detective Constable Pam Murphy müssen in mehreren Fällen gleichzeitig ermitteln. Und das obwohl es an Fahrzeugen und Männern fehlt und sie bereits jede Menge Überstunden schieben. Challis steht also mächtig unter Druck. Und der wird nicht weniger, denn er bekommt den Zorn seiner Vorgesetzten zu spüren, nachdem er einem Reporter der Lokalpresse gegenüber die jämmerliche Ausstattung der Polizei beklagt hat.

 


In „Leiser Tod“ schildert der australische Autor Garry Disher das Geschehen aus den Perspektiven mehrerer Protagonisten. Geschickt verwebt er die einzelnen Erzählfäden miteinander und führt die komplexe Story souverän zum fulminanten Showdown. Ein guter, ein sehr guter Krimi.


„Leiser Tod – Ein Inspector-Challis-Roman“ von Garry Disher, Unionsverlag, 352 Seiten.

Disher, Garry: Hope Hill Drive

Spannung

Von tg

 

„Hirsch sah hinaus über einen Streifen Ödland, das nur von einer verrosteten Egge, einem löchrigen Ölfass und einem silbrigen Eukalyptus belebt wurde. Eine Scheune, daneben ein offener Unterstand, der an einem Ende eingesunken war wie ein starres Grinsen.“


Es ist Weihnachten. Die Hitze versengt das australische Buschland. Der degradierte und strafversetzte Constable Paul Hirschhausen versucht, die üblichen Gaunereien und Streitigkeiten in seiner neuen Heimat, der Kleinstadt Tiverton, auf seine Art zu lösen. Und sich behutsam und mitunter auch etwas widerwillig den nötigen Respekt zu verdienen. Im Grunde ein ruhiger Job. Bis eines Nachts auf einer Farm Pferde und Ponys scheinbar sinnlos getötet werden. „Hirsch“ steht vor einem Rätsel. Bevor er es lösen kann, geschieht ein weiteres Verbrechen. Diesmal ist eine junge Frau das Opfer. Ihre Kinder, Louise und Anna, sind seit der Tat spurlos verschwunden. Hirsch macht sich auf die Suche. Doch er ist nicht der Einzige, der die beiden Mädchen finden möchte. Bald weiß Hirsch nicht mehr, wem er noch trauen kann, denn auch die aus Sydney angereisten Ermittler verfolgen undurchsichtige Interessen.


Eindringlich und schnörkellos schildert Garry Disher das australische Outback, die Bewohner der Provinzstädte, der Vororte und Käffer, ihre spröde Herzlichkeit, ihre Niedertracht und Schwäche und ihre „scheußlichen kleinen Träume und Rachefeldzüge.“

 

Ein exzellenter, vielschichtiger Kriminalroman, der langsam an Fahrt aufnimmt und bis zum Schluss gekonnt die Spannung steigert.  


„Hope Hill Drive“ von Garry Disher, Unionsverlag, 344 Seiten.

Disher, Garry: Barrier Highway

Spannung

Von tg

 

„Das war das ganze Polizeirevier. Ein Deckenventilator für den Sommer, ein nutzloser Heizstrahler für den Winter. Gemeindemitteilungen an den Wänden, ein abgelaufener Kalender mit Aufnahmen von Wildblumen im Frühling östlich der Ortschaft, ein Tresen, der seinen Schreibtisch, den Computer, Drehstuhl und Aktenschrank vom Wartebereich abtrennte. Allerdings wartete selten jemand.“


Der degradierte und strafversetzte Constable Paul Hirschhausen patroulliert in den frühen Morgenstunden durch seine neue, winterliche Heimat, die Kleinstadt Tiverton, fährt über einsame Landstraßen und Schotterpisten durchs australische Outback, wacht über die, die mit den launischen Schicksalsschlägen des Lebens ringen, hält Ausschau nach Dummheit, Hinterlist und Bosheit, geht alte Verbrechen durch. Und kümmert sich um die aktuellen. So lässt er Überwachungskameras installieren, um den Schlüpferdieb zu schnappen, bringt verwahrloste Kinder in Sicherheit und schlichtet Streitigkeiten. Ständig macht er sich Feinde und muss sich behutsam Respekt aufs Neue verdienen. Schon bald hat Hirsch zwei Polizeireviere, eine Stalkerin und mehrere Fälle gleichzeitig am Hacken: eine Tote, Erbschleichereien, ein ausrastender Vater, dubiose Finanzgeschäfte. Dann wird auch noch Katie, die Tochter von Hirschs Freundin Wendy, entführt.


Nach „Bitter Wash Road“ und „Hope Hill Drive“ zieht Garry Disher auch im dritten Fall des sympathischen Ermittlers Paul Hirschhausen alle Register seines Könnens. Virtuos verknüpft er die einzelnen Handlungsfäden, verdichtet nach und nach die von Verschrobenheit, Spießbürgertum und menschlichen Abgründen aufgeheizte Atmosphäre, steigert Tempo und Dramatik bis zum kompromisslosen Showdown. Ganz großes Kino! Ein Muss für Leute, die spannende Unterhaltung allein nicht für ausreichend halten, sondern darüber hinaus Wert auf erstklassige Literatur legen.


„Barrier Highway“ von Garry Disher, Unionsverlag, 342 Seiten.          



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Hörbuch


Ivanov, Petra: Alte Feinde

Spannung

Von tg

 

„Er sog noch einmal ihren Duft ein, dann verließ er das Zelt und setzte sich vor den Eingang. Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf und starrte in das Blätterdach. Als die ersten Vögel ihr Morgenlied anstimmten, stand sein Plan fest.“


Ein ungewöhnliches Verbrechen. Die Tatwaffe: ein Smith & Wesson No. 2 Army aus der Zeit des  Amerikanischen Bürgerkriegs. Das Opfer: USA-Fan und, wie sich herausstellt, Nachfahre von Henry Wirz, während des Bürgerkriegs Lagerkommandant der konföderierten Armee in Andersonville. Staatsanwältin Regina Flint verlässt die Schweiz, um ihre Ermittlungen in den USA voranzutreiben. Auch privat zieht es sie in die Staaten. Denn im Cherokee-Reservat in den Smoky Mountains ist Kriminalpolizist „Häuptling“ Bruno Cavalli auf der Suche nach einem Blasrohr-Killer. Bruno, Reginas Lebenspartner und Vater ihrer Tochter Lily, ist untergetaucht und hat seit Monaten kein Lebenszeichen mehr von sich gegeben. Als beide zueinanderfinden, wissen sie nicht mehr, wem sie noch trauen können. Nur eins ist klar: Sie sind dem selben Täter auf der Spur – und in großer Gefahr. Im 8. Fall aus der „Flint & Cavalli“-Reihe verknüpft die Autorin gekonnt die verschiedenen Handlungsstränge bis zum dramatischen Finale.

    
„Alte Feinde“ von Petra Ivanov, Unionsverlag, 376 Seiten.

Freeman, Castle: Der Klügere lädt nach

Spannung

Von tg

 

„Ich bin der County Sheriff in unserem Tal. Ich mag meine Arbeit. Unser Tal ist ein schönes Tal. Es ist ein gutes Tal. Und es ist ruhig, meistens. Die Leute denken, ich tue nichts. Aber es gibt Menschen, die nichts tun, und andere, die auch nichts tun, das aber richtig.“

 


Das Tal in Vermont, in dem Sheriff Lucian Wing mit stoischer Gelassenheit seinen Job macht, ist nicht sehr groß. „Alle schwimmen im selben Teich“, jeder kennt jeden, kennt die Regeln. Doch mitunter entwickeln sich die Dinge anders als sie sollten, denn gewisse Leute stören die Ruhe. Es kommt zu merkwürdigen Unfällen, die die (kleinkriminellen) Störenfriede ereilen.

 

 

 

Wing muss ermitteln, hat es aber nicht eilig. Was dem Vorsitzenden des Gemeinderats, der hinter den Vorkommnissen Selbstjustiz vermutet, wenig gefällt. Und so übt der mächtig Druck auf den Sheriff aus. Dabei hat der schon genug Scherereien: seit seine Frau Clemmie einen Neuen hat, muss Wing auf dem durchgesessenen Sofa im Büro nächtigen. Und dann ist da noch seine Mutter, die langsam den Verstand zu verlieren scheint.

 


Ein skurriler, rauher, teilweise harter Roman mit vielen trockenen Dialogen. Und einem lässigen, nicht gerade besonders integren Ermittler. Gut geschrieben und spannend bis zum Schluss.  


„Der Klügere lädt nach“ von Castle Freeman, dtv Verlag, 204 Seiten.

Swann, Leonie: Mord in Sunset Hall

Humor

Von tg

 

„Endlich waren sie einmal nicht mit verdächtigen Grabungsarbeiten beschäftigt, sondern sahen so verschlafen und ahnungslos aus, wie es sich für Menschen in der dritten – oder vierten? fünften – Lebenshälfte frühmorgens gehörte. Zerknitterte Morgenmäntel, Haare, die in alle Richtungen abstanden, geschwollene kleine Äuglein und verdatterte Mienen.“


Bloß nicht in den Lindenhof, Enten beobachten, stricken, Medikamente futtern und vor sich hindämmern. Agnes Sharp und die Mitbewohner ihrer Senioren-WG Sunset Hall wollen in Würde altern und selbstbestimmt sterben. Eines Tages liegt Lillith im Holzschuppen, eine Kugel im Kopf und ein Lächeln auf den Lippen. Im Grunde kein Problem für Agnes, den vergesslicher werdenden Marshall, den im Rollstuhl sitzenden Winston, die blinde, hinter ihrer Sonnenbrille geheimnisvoll wirkende Bernadette und die immer gut gelaunte, aber etwas abwesende Edwina. Wäre nicht die Tatwaffe verschwunden. Gäbe es nicht plötzlich eine weitere Tote – eine alte Dame aus der Nachbarschaft, die Agnes aus ihrer Kindheit kennt. Und schon bald sind weitere Verluste zu vermelden.


Die mehr oder weniger rüstigen Senioren treiben die Polizei zur Verzweiflung und machen sich selbst auf zur Mörderjagd. Mit ungewöhnlichen Methoden, im Schneckentempo, aber wild entschlossen. Mit dritten Zähnen, schmerzenden Hüften, Schwerhörigkeit, Gedächtnislücken, falschen Verdächtigungen und der ein oder anderen Leiche im Keller. Gut, dass es weitere Unterstützung gibt: von der Neuen in der Gemeinschaft, der mondänen, dem Gin Tonic gewogenen Charlie, ihrem Wolfshund Brexit, Schildkröte Hettie und dem amateurhaften Einbrecher Sparrow.


Ein liebevoller, unterhaltsamer (schwarz)humoriger Krimi, der auch ernste Zwischentöne hat.


„Mord in Sunset Hall“ von Leonie Swann, Goldmann Verlag, 448 Seiten.



Mishani, Dror: Drei

Spannung

Von tg

 

„Die Sonnenblenden vor dem Fenster sind nur einen Spalt weit geöffnet, und Licht aus der Wohnung gegenüber fällt herein, und in diesem schummrigen Licht sieht sie Gils Gesicht, ehe sie einschläft. Er berührt sie nicht. Er sitzt neben ihr, und sie hört seine Stimme.“


Ein wenig Sehnsucht nach Nähe und Zuneigung, die Suche nach Abwechslung, nach Trost, einem Zuhause, dem richtigen Weg. Vertrauen, das sich langsam aufbaut, der behutsame Beginn einer heimlichen Affäre, einer neuen Beziehung? Der richtige Stoff für einen Liebesroman. Doch der israelische Schriftsteller Dror Mishani hat anderes im Sinn.


Die Lehrerin Orna lernt ihn über ein Dating-Portal für Geschiedene kennen. Emilia über die Familie, in der sie als Pflegerin gearbeitet hat. Und Ella, die ihren wahren Namen und ihren Beruf verschweigt, begegnet ihm im Café. „Drei“ Frauen, mit ihren kleinen und großen Geheimnissen, treffen ein und den selben Mann, den Rechtsanwalt Gil Chamtzani. Auch Gil ist nicht der, der er vorgibt zu sein.

 

Und so verwandelt sich die Geschichte plötzlich in einen ausgefeilten Krimi mit überraschenden Wendungen, in dem der Autor geschickt die Fäden zieht und peu à peu die Spannung steigert. Mehr soll nicht verraten werden.


„Drei“ von Dror Mishani, Diogenes Verlag, 330 Seiten.

Disher, Garry: Kaltes Licht

Spannung

Von tg

 

„Er war wieder zur Polizei gegangen – tatsächlich war er sogar darum gebeten worden. Damit gingen fünf Jahre zu Ende, in denen er nur die Zeit totgeschlagen hatte. Urlaubsfahrten ab und an. Lesen, Erwachsenenbildung, hoffnungslose und/oder katastrophale romantische Verwicklungen, gelegentliche Mitarbeit bei verschiedenen Wohltätigkeitsorganisationen.“


Sergeant Alan Auhl, Mitte fünfzig, kehrt aus der Pensionierung in den Dienst zurück. Er ist zwar „nicht auf dem Stand des technischen und investigativen Fortschritts“, aber ein sturmerprobter „alter Sack“, der die Rollator-Witze junger Kollegen stoisch erträgt. Auhl soll sich um die Cold Cases, die angestaubten ungelösten Fälle, kümmern. Und bindet sich gleich mehrere ans Bein.


Auch privat läuft es alles andere als harmonisch und ausgeglichen. Ein, zwei Mal im Jahr landet er mit seiner Ex im Bett, was nicht gerade die innere Gelassenheit fördert. Und in seinem „Chateau Auhl“ – „drei höhlenhaft verwinkelte Stockwerke an einer ruhigen Straße“ im lebhaften Melbourner Viertel Carlton –, beherbergt er einige Menschen, mit denen es das Leben weniger gut meint. Und da Auhl nicht wegschauen kann, wenn den Gestrandeten der Gesellschaft Unrecht widerfährt, mischt er sich ein, wo er es für nötig hält.


Ein spannender, sehr dichter, temporeicher, aber nicht hektischer, stilistisch ausgezeichneter Kriminalroman. Mit einem coolen, beharrlichen Ermittler, „besessen – aber auf eine gute Art“, der das Herz am rechten Fleck hat. Und zur Not strikte Methoden anwendet, um der Gerechtigkeit auf die Sprünge zu helfen. „Kaltes Licht“ hat zweifellos das Zeug, ein Klassiker der Kriminalliteratur zu werden.


„Kaltes Licht“ von Garry Disher, Unionsverlag, 314 Seiten.

Chandler, Raymond: Der große Schlaf

Klassiker

Von tg

 

„Ich rauchte meine Zigarette auf und steckte mir noch eine an. Die Minuten zogen sich. Auf der Straße das Tuten und Tröten der Hupen. Eine große rote Regionaltram knurrte vorbei. Eine Ampel gongte. Die Blondine stützte einen Ellbogen auf, legte eine Hand über die Augen und linste in meine Richtung.“


Phillippe Marlowe ist der Inbegriff des abgeklärten, wortkargen, meist klammen Privatdetektivs. Als einsamer Wolf mit Hang zu Melancholie und Zynismus, zu Alkohol und Nikotin, versucht er im korrupten, unmoralischen Los Angeles einigermaßen aufrecht zu bleiben. 1939 setzte ihn der amerikanische Schriftsteller Raymond Chandler auf seinen ersten Fall an. Der steinreiche alte General Sternwood wird erpresst. Marlow soll sich um die Sache kümmern. Das tut er. Und hat schon bald Killer, schmierige Gauner und die beiden schönen wie anstrengenden Töchter des Generals, Carmen und Vivian, am Hals.


Auch 80 Jahre später kann „Der große Schlaf“ (Originaltitel: „The Big Sleep“) in der Neuübersetzung von Frank Heibert überzeugen – vielschichtig, temporeich und auf den Punkt. Mit knackigen Dialogen, die im von Howard Hawks inszenierten Film-Noir-Klassiker (unter dem Titel „Tote schlafen fest“) die Hollywood-Legenden Humphrey Bogart und Lauren Bacall auf der Leinwand unsterblich machten.

  
„Der große Schlaf“ von Raymond Chandler, Diogenes Verlag, 293 Seiten.



Swann, Leonie: Gray

Humor

Von tg

 

"Er wollte mit Sybil ins Kino und dann vielleicht ein Bier trinken gehen oder einen Gin Tonic. Er wollte in Ruhe in der Bilbliothek sitzen und an seiner Abhandlung arbeiten. Er wollte College Dinner und Diskussionsgruppen. Nichts davon ging mit Papagei!"

Dr. Augustus Huff, Dozent an der Universität von Cambridge, schlägt sich mit diversen Neurosen durchs Leben und hat – seit dem dramatischen Tod des Studenten Elliot, eines "kalten Schnösels" und berüchtigten Fassadenkletterers, den er als Tutor betreute – einen Vogel. Ist nun offizieller temporärer Halter und Trainer des afrikanischen Graupapageis Gray, der ihm nicht mehr von der Schulter weicht und fortan Huffs pedantisch geordneten Alltag gehörig auf den Kopf stellt. "Stinker!", "Nimm ne Nuss!", "Total zermatscht!" und "Psychologische Probleme" gehören zu Grays Standardvokabeln, die der gelehrige und vorlaute Vogel mit der Stimme seines Vorbesitzers, dem vom Kirchturm gestürzten Elliot, in den unmöglichsten Situationen zum Besten gibt. Aber auch der Begriff "Mörder" findet sich in seinem Wortschatz, und nicht allein diese Tatsache veranlasst Augustus, den Sherlock Holmes zu spielen. Schon bald sind Dozent und Papagei ein eingeschworenes Team und in luftiger Höhe einem kaltblütigen Mörder auf der Spur ...

Die Autorin der Schafskrimis "Glennkill" und "Garou" macht in diesem witzigen, spannenden und intelligenten Krimi wieder ein Tier zur Hauptfigur – und wird mit "Gray" sicherlich viele Leserinnen und Leser begeistern.

"Gray" von Leonie Swann, Goldmann Verlag, 415 Seiten.

Thorogood, Robert: Mord im Paradies

Humor

Von tg

 

"Er begann, das Gebäude zu umrunden. Es handelte sich um einen großen rechteckigen Kasten mit Wänden aus dickem cremefarbenem Papier. Auch das Dach bestand aus dickem cremefarbenem Papier. Das im Inneren gefangene Licht ließ das ganze Ding erstrahlen. Eigentlich sah es aus, als wäre mitten auf dem Rasen ein würfelförmiges Raumschiff gelandet."

Richard Poole, gegen seinen Willen auf die karibische Insel Saint-Marie versetzter Detective Inspector mit Sandphobie, diversen Schrullen und Schwierigkeiten im Umgang mit seinen lässigen örtlichen Kollegen, hasst die Tropen, die mörderische Hitze, das scharfe Essen, die Baracke, in der er gemeinsam mit Gecko Harry haust – und, dass nirgendwo ein anständiges Bier zu bekommen ist.

Wenn es allerdings gilt, einen Fall aufzuklären, fühlt sich der steife, ständig einen Tweedanzug tragende Brite in seinem Element. Aslan Kennedy, von allen hochgeschätzter Guru, wird nach der täglichen Tiefenentspannung tot im als Meditationsraum dienenden Teehaus aufgefunden. Als Täter kommen – eigentlich – nur fünf Gäste des spirituellen Urlaubsresorts "The Retreat" infrage, die sich während der Tat im von innen verriegelten Teehaus befanden.

Mit einer Akribie à la Miss Marple macht sich Poole ans Werk. Doch seine polizeilichen Nachforschungen gestalten sich als äußerst schwierig, denn irgendwie passt nichts so richtig zusammen. Stück für Stück begleitet der Leser voller Erwartung den mit seiner Verunsicherung ringenden Ermittler von einer falschen Fährte zur anderen. Am Ende kommt es – natürlich – ganz anders als erwartet ...

Der sich auf der großartigen BBC-Serie "Death in Paradise" gründende Roman ist von Anfang bis Ende spannend, unterhaltsam und witzig. Einen deplatzierten, etwas neurotischen und originellen Detective Inspector wie Richard Poole muss man einfach sympathisch finden. Es bleibt zu hoffen, dass "Mord im Paradies" bald eine Fortsetzung findet.

"Mord im Paradies" von Robert Thorogood, Rowohlt Taschenbuch-Verlag, 383 Seiten.

Freeman, Castle: Männer mit Erfahrung

Spannung

Von tg

 

„Sie saßen im Büro und redeten – oder auch nicht. Sie sahen sich in dem kleinen Fernseher, den Whizzer aufgestellt hatte, Spiele an. Wenn Bier zur Hand war, tranken sie es. Die Zeit verging.“

 

Ein kleines, gottverlassenes Kaff in Vermont. Lillian, eine junge Frau, fühlt sich beobachtet und bedroht. Der zwielichte und gefürchtete Blackway hat es auf sie abgesehen.

 

Grund genug, sich aus dem Staub zu machen. Doch Lillian lässt sich nicht einschüchtern, sie bittet Sheriff Wingate um Schutz. Der aber beruft sich auf Recht und Gesetz, sieht sich außerstande, ihr zu helfen: „Für etwas, das er vorhat, kann ich ihn nicht festnehmen“. Wingate schickt sie zu Whizzer, der nach seiner „Begegnung“ mit einem fallenden Baum im Rollstuhl sitzt und in einer ehemaligen, heruntergekommenen Stuhlfabrik ein Sägewerk betreibt.  Sein Büro ist eine Art Klub, ein Treffpunkt für „Männer mit Erfahrung“. „Was für ein Haufen Clowns“, denkt sich Lillian. Immerhin stellt Whizzer ihr den einfältigen Hünen „Nate the Great“ und den betagten, mit allen Wassern gewaschenen und hinkenden Lester Speed zur Seite. Während in Whizzers Büro eine Handvoll alter Haudegen „philosophiert“, über alte Zeiten im Allgemeinen und die Geschichte mit Blackway im Speziellen, macht sich Lillian mit ihren beiden Begleitern auf den Weg, um die Sache zu klären. Gibt es einen Plan? Schwer zu sagen. Aber der Verlauf der Dinge scheint unvermeidlich: „Sie mussten es durchziehn“. In einem riesigen verlassenen Waldgebiet, den „Lost Towns“, kommt es zum Showdown mit Blackway.

 

Ein witziger, rauher, teilweise harter Roman, in dem trotz vieler Dialoge wenig Worte verloren werden. Gut geschrieben und spannend bis zum Schluss.

 

„Männer mit Erfahrung“ von Castle Freeman, dtv Verlag, 173 Seiten.



Ferber, Marlies: Truthahn, Mord und Christmas Pudding

Humor

Von tg

 

"In Sheilas Gesellschaft war es selten ruhig. Sie war wie ein Sturm, der über einen hinwegfegte, oder zumindest eine sehr frische Brise. Er besuchte sie gern in ihrem Haus: Dort konnte er selbst bestimmen, wie lange er blieb."

Nun, der Titel lässt auf seichte Unterhaltung schließen, und einen 70-jährigen Exagenten 0070 zu nennen, ist das originell ...? Doch wie bei einem Kriminalfall trügt häufig der erste Schein, und es kommt tatsächlich vor, dass die Verpackung weniger verspricht als der Inhalt zu bieten hat. Kurz und gut: Dieser Roman kann positiv überraschen – guter Schreibstil, kurzweilige Geschichte, englischer Humor und ein paar ernste Töne.

Worum geht es im vierten Fall von James "Null-Null-Siebzig" Gerald und seiner Gefährtin Sheila Humphrey? Sheilas Freundin Rosalind fällt einem Verbrechen zum Opfer. James wird bald klar, dass der Täter eigentlich Sheila im Visier hat. Doch die will vorerst nichts davon wissen und beherbergt obendrein einen alten Schulfreund mit zweifelhafter Vergangenheit. Was James nicht nur hellhörig, sondern auch extrem eifersüchtig macht.

 

Bei einem Theaterprojekt, das zu Weihnachten gemeinsam von Amateuren und ehemaligen Häftlingen aufgeführt wird, spitzen sich die Ereignisse zu. James entdeckt auf der Bühne sein Schauspieltalent und ergreift ungewöhnliche Maßnahmen ...

"Truthahn, Mord und Christmas Pudding" von Marlies Ferber, Krimi, dtv, 320 Seiten.

Frenzel, Claudia: Brennender Zorn

Spannung

Von tg

 

"Von der Straßenseite aus betrachtet, lag auf dem Anwesen der Schleier romantischen Verfalls, nicht mehr Zivilisation, aber noch nicht wieder Natur. Erst die Rückseite, die um diese Tageszeit im kühlen Schatten lag, offenbarte, weshalb das Haus die Geistervilla genannt wurde."

Ein Jahr nachdem Hauptkommissar Hanno Kaltwasser seinem damaligen Vorgesetzten in München "Waffe, Marke und Ausweis auf den Schreibtisch legen musste", betritt er widerwillig seine neue – und altbekannte – Berliner Wohnung. Und kaum angekommen, wird er bereits zu einem Fall beordert. Auf den ersten Blick scheint alles eindeutig zu sein, doch Kaltwasser stören einige Details und so macht er sich, unterstützt von der spröden und wortkargen Kollegin Janisch, hartnäckig an die Ermittlungen. Dabei dreht sich alles um eine alte, heruntergekommene Villa, ein tragisches Feuer und eine komplizierte Familiengeschichte.

"Brennender Zorn", der erste Band einer neuen Krimireihe, kann mit interessanten Charakteren und vielschichtiger Story, die bis zum Schluss spannend bleibt, überzeugen. Hanno Kaltwasser ist ein sympathischer Ermittler, ein "Sprachprofiler" mit Ecken und Kanten, mit Schwächen und Zweifeln, den die Schatten der Vergangenheit immer wieder einholen.

Ein gelungenes Debüt.

"Brennender Zorn" von Claudia Frenzel, dtv Verlag, 415 Seiten.

Green, Graham: Der dritte Mann

Klassiker

Von tg

 

"Wenn Sie diese seltsame, ziemlich traurige Geschichte verstehen wollen, müssen Sie wenigstens einen Eindruck vom Hintergrund bekommen – von der zerstörten, trostlosen Stadt Wien, die von den vier Siegermächten in Zonen aufgeteilt worden war; die russische, die britische, die amerikanische und die französische Zone."

Rollo Martins, Verfasser von billigen Westernromanen, reist ins besetzte, winterliche Wien der Nachkriegszeit, um seinen alten Schulfreund Harry Lime zu treffen. Bei seiner Ankunft wird dieser allerdings gerade zu Grabe getragen. Offizier Calloway von Scotland Yard konfrontiert Martins damit, dass Lime "so ziemlich der übelste Schieber" war, der "in dieser Stadt je seine schmutzigen Geschäfte gemacht hat" – verdünntes Penicillin, das vielen Kindern das Leben gekostet hat. Martins ist von Limes Unschuld überzeugt und macht sich daran, die Umstände von dessen vermeintlichen Tod aufzuklären. Dabei spielen Limes Geliebte Anna und ein mysteriöser dritter Mann undurchsichtige Rollen ...

Mit Orson Welles und Joseph Cotten in den Hauptrollen schuf Regisseur Carol Reed mit "Der dritte Mann" einen zeitlosen Schwarzweiß-Thriller nach dem Drehbuch von Graham Greene. Legendär sind die Fahrt im Riesenrad, die Verfolgungsjagd durch die Kanalisation und das von Anton Karas auf der Zither gespielte Harry-Lime-Thema.

Nicolaus Stingel hat das Buch 66 Jahre nach dem Kinostart des Films neu übersetzt. Das Ergebnis kann absolut überzeugen, trifft wunderbar den Ton der düster-melancholischen Story, denn wie Greene im Vorwort erklärt, stellt für den Autor "sein Roman natürlich das Beste dar, was er zu einem bestimmten Thema zu leisten vermag". Wenn er auch hinzufügt: "Der Film ist sogar besser als die Erzählung, weil es sich in diesem Fall um die Endfassung der Erzählung handelt ...".

"Der dritte Mann von Graham Greene", Zsolnay Verlag, 159 Seiten.