„Imagination is more than knowledge“

... hat Einstein schon festgestellt, obwohl er sicherlich ein sehr intelligenter Mensch gewesen ist.  Von Kristina König, HP, Bielefeld

Was nützt uns Intelligenz, wenn uns die Vorstellungskraft fehlt. Vorstellungskraft, dazu gehört sicherlich auch Intuition, ist statistisch nicht messbar und (zum Glück) bisher auch noch nicht Maschinen beigebracht worden. Dennoch gibt es schon lange Geräte, die – für manchen verwunderlich – durch einfachen Hand- und/oder Fußkontakt ein Bild des Inneren des Probanden aufzeichnen können. Mein ältestes Gerät, das so etwas kann, ist aus den frühen 80ern des vorherigen Jahrhunderts. Wir kommen damit heute noch Ursachen auf die Spur, wenn die eigene Intuition fehlt. Das heißt nicht: aha, das Gerät weiß doch mehr als der Mensch. Nein, es zeigt nur etwas auf, was auf den ersten Blick unlogisch erscheint, dann aber durch die Intuition und das Gesamtwissen des Betrachtenden eine Idee aufkommen lässt. Künstliche Intelligenz hat keine Ideen. Es mag sein, dass es so scheint, jedoch arbeiten solche Geräte mit viel gespeichertem Wissen und das funktioniert in beeindruckend kurzer Zeit. Das Ergebnis kann richtig sein, aber auch vollkommen daneben, wie eben bei menschlichen Überlegungen auch. Ein Beispiel: Jemand klagt über Herzrhythmusstörungen und Stolpern des Herzschlages und niemand findet etwas. Kardiologie ohne Befund, aber vielleicht vorsichtshalber ein Betablocker. In solchen Fällen kann so ein Messgerät, dass den Körper energetisch scannt, Blockierungen z. B. in der Halswirbelsäule aufzeichnen. Dadurch, dass es bildlich dargestellt wird, kann der Betroffene einsehen, es ist im Prinzip nicht das Herz direkt, was nicht funktioniert, sondern das Herz ist nur die Projektionsfläche einer Blockierung an der Halswirbelsäule, an der viele Nerven austreten, die innere Organe enervieren. Andererseits gibt es weitere Geräte, die beim energetischen Scan feststellen, dass das Organ vollkommen durchlässig – also ohne Blockade – ist, aber die Person einen großen Stress hat, den er/sie selbst nicht so registriert, weil es immer so ist. In diesen Fällen wird dem Probanden wiederum bildlich aufgezeigt, dass er sich um – in diesem Falle – sein Herz an sich keine großen Gedanken zu machen braucht, aber am Stress extrem arbeiten muss. Diese Art von „künstlicher Intelligenz“ ist lediglich eine Messmöglichkeit mit einer Zuordnung der Messdaten in Lichtgeschwindigkeit. So schnell denkt unser Hirn auch, aaaaber: unser Hirn hat eben nur das Wissen eines Menschen gespeichert und kann daraus abrufen. Diese beeindruckenden Geräte haben jedoch das Wissen sehr vieler Menschen und das allein ist deren Vorteil. Am Ende bleibt immer noch das Resümee aus der Erkenntnis und die daraus resultierende Behandlung. Tja ... und Handlung kommt von „Hand“. Intelligenz und besonders künstlicher fehlen die guten Hände, trotzdem kann es eine wirklich gute Hilfe bei der Erkenntnis über Zusammenhänge in der Diagnose von Menschen sein. Freuen wir uns auf die Zukunft und warten wir ab. Aber bedenken wir die Grenzen.

Herles, Benedikt: Zukunftsblind

„Dieses Buch ist ein Weckruf. Zukunfts-blindheit können wir uns nicht leisten.“ Künstliche Intelligenz soll den Wohlstand in Deutschland und der EU sichern, teilt das Presse- und Informationsamt auf der Webseite der Bundesregierung mit. Dazu will der Bund bis 2025 etwa 3 Millarden Euro investieren. KI soll verantwortungsvoll und gemeinwohlorientiert genutzt und in einen „Rahmen eines breiten gesellschaftlichen Dialoges und einer aktiven politischen Gestaltung ethisch, rechtlich, kulturell und institutionell in die Gesellschaft eingebettet werden“. mehr


Herles, Benedikt: Zukunftsblind

„Die Vernetzung ist es, die aus dem neuen Gut des Informations-Kapitalismus, den Daten, jenen virtuellen Zombie – das Ganze – hervorbringt, der mehr ist als nur die Summe seiner Einzelteile. Diese digitale Beobachtung und Berechnung des Menschen wird eine neue Gesellschaftsform hervorbringen: die Kontrollgesellschaft.“ mehr

Big Data is healing you

In China hat der „kleine Doktor“ Xiayoi seine Prüfung zum Arzt überdurchschnittlich gut bestanden. Nicht unbedingt erwähnenswert, wäre Xiayoi nicht ein humanoider Roboter – ein Superhirn voller Algorithmen, das Diagnosen und Therapievorschläge innerhalb weniger Sekunden erstellt. In Japan unterhalten Pflegeroboter Senioren mit Ratespielen oder Tai-Chi. Deutsche Kliniken beziehen im Labor und bei der OP Künstliche Intelligenz  mit ein. Werden Genies aus der Retorte zukünftig Naturheilverfahren überflüssig machen? Wird eine Big-Data-Maschine die Psychotherapie übernehmen?  Von tg

Digitalisierung, Robotik und Künstliche Intelligenz (KI) sind derzeit ein großes Thema in den Medien. Bevor wir tiefer in die Materie einsteigen, wollen wir die Frage klären: Was genau ist eigentlich Künstliche Intelligenz?


In seinem Buch „Klüger als wir?“ erklärt der Arzt und Neuropsychologe Thomas Grüter, „dass sich die Wissenschaft nicht einmal auf eine Definition von Intelligenz geeinigt hat“. Vielmehr sei noch gar nicht bekannt, „wie sie im Gehirn entsteht“. Obwohl der US-Psychologe Edward Boring bereits 1923 trocken feststellte: „Intelligenz ist das, was der Intelligenztest misst.“


Der Duden beschreibt Intelligenz als die „Fähigkeit [des Menschen], abstrakt und vernünftig zu denken und daraus zweckvolles Handeln abzuleiten“. Synonyme sind Auffassungsgabe, Weisheit, Kreativität.
„Planet Wissen“ erklärt: „Intelligenz ist die Umschreibung für die Fähigkeit, sich in neuen Situationen durch Einsicht zurechtzufinden und Aufgaben durch Denken zu lösen.“ Es gehe um das schnelle Erfassen von Beziehungen und deren Kombination.


Intelligenz hat also etwas mit dem Verstand zu tun, mit sinnvollen Schlussfolgerungen und dem, was man daraus macht?


Mittlerweile wird angezweifelt, dass die kleinen grauen Zellen alleinige Herrscher über unser Erkenntnisvermögen sind: erst die Herzintelligenz sorgt für geistige Klarheit. Denn intelligente Menschen brauchen Mitgefühl und Respekt für andere.


Sogar unser Verdauungsapparat will neuerdings ein Wörtchen mitreden, das charmante „Darmhirn“ kommuniziert ständig mit der Schaltzentrale im Kopf.


Künstliche Intelligenz müsste folglich ein Ding sein, das mit chemischen oder technischen Mitteln nach dem natürlichen Vorbild der menschlichen Intelligenz erschaffen wurde. Nach dem Vorbild jener Intelligenz, die ihren Sitz im Gehirn, Herz und Darm hat, sich schwer definieren lässt und von der anscheinend niemand weiß, wie sie entsteht. (Ganz zu schweigen von der häufig eingeschränkten Sichtweise auf das, was wir Bewusstsein nennen und die Art und Weise wie dieses sich entwickelt, wie der Philosoph und Denker Ken Wilber kritisiert.)


Genug der Haarspalterei. Lassen wir Wikipedia sprechen: „Künstliche Intelligenz [...] ist ein Teilgebiet der Informatik, welches sich mit der Automatisierung intelligenten Verhaltens und dem Maschinellen Lernen befasst.“ Ein digitales System, das verschiedene Methoden, Modelle, Technologien und Algorithmen verwendet und große Datenmengen benötigt. Ein Computer, der, häufig über Deep Learning und mithilfe neuronaler Netze, menschliche Intelligenz nachbildet. Und selbstständig neue Daten lernt, analysiert, interpretiert und für Anwendungen nutzt. Rasend schnell. Und exponentiell.

Wo kommt KI zum Einsatz?

Nicht nur Raumfahrt, Großindustrie, Finanzmärkte, Staaten, Militär, Amazon, Apple, Facebook, Google & Co. nutzen Künstliche Intelligenz und forschen fieberhaft an deren Weiterentwicklung.

 
Ohne KI scheint auch im Alltag nichts mehr zu gehen. Mit dem kleinen flachen Alleskönner, genannt Smartphone, telefonieren, mailen, surfen, chatten, shoppen, überweisen und fotografieren wir, hören und gucken in die Welt. Und es hört und guckt mit, was wir da tun. Dazu später mehr.


Fürs intelligente, vernetzte Haus dient das Smartphone als Fernbedienung. So lässt sich die Wohlfühltemperatur von unterwegs einstellen – falls das Thermostat das nicht gleich selbst regelt. Im Supermarkt schauen wir per App über hochauflösende Kameras in unseren Kühlschrank: ah ja, Ketchup fehlt, Bier ist aus, kein Tofu in Sicht. Zukünftig bestellt der coole Kasten und „Ernährungsmanager“ selbst, natürlich online bei Amazon. Die Waschmaschine erkennt den Verschmutzungsgrad der Wäsche und wählt das Waschprogramm. Während uns der Smart-TV berieselt, starten wir, bequem von der Smart-Home-Couch aus per Sprachbefehl über Alexa, unseren smarten Roborock S55 Saugroboter. Und träumen davon, dass draußen ein sanftes, aber nachdrückliches Hupen erklingt: unser autonomes Auto erinnert daran, dass es uns zu einem von der Partnerbörse empfohlenen und arrangierten Date fahren möchte ...

 

Welche Bereiche des Gesundheitswesens verändert KI bereits jetzt? Welche in Zukunft?

Einige Beispiele wie der „kleine Doktor“ Xiayoi und der japanische Pflegeroboter wurden bereits eingangs erwähnt.


Schauen wir zuerst wieder aufs Smartphone: Gesundheits-Apps kontrollieren Puls, Blutdruck, Atemfrequenz, Essverhalten, Kalorienverbrauch u .v. a. m., damit wir uns so verhalten, dass wir fit und munter bleiben.


Die App des britischen Unternehmens Babylon Health identifiziert anhand von wenigen Fragen eine anzunehmende Krankheit, vermittelt das Online-Gespräch mit einem Arzt oder gleich einen Termin in der Praxis.


In Estland gibt es seit 2013 die „Elektronische Patientenakte“ (ePA). Sämtliche relevanten Informationen in einer Cloud, beim Arztbesuch, Krankenhausaufenthalt, in der Apotheke direkt abrufbar. Die Krankenkasse hat gleichfalls Zugriff. Fürsprecher sehen Vorteile etwa für verbesserte Versorgung, schnelleres Handeln im Notfall oder die Verwertung für Forschungszwecke.


Die vom amerikanischen Professor Joel Dudley entwickelte Software „Deep Patient“ wurde mit elektronischen Patientenakten gefüttert und trainiert, um sie für die Früherkennung von Krankheiten wie Diabetes, Krebs, ADHS oder Schizophrenie einzusetzen. Das Programm ist ziemlich treffsicher, allerdings weiß man nicht wieso – selbstlernende Algorithmen sind schwer zu durchschauen.


Arzneimitteln werden zunehmend am Rechner entwickelt. Gleichzeitig soll die Medizin personalisiert, Therapien individualisiert werden.


Roboter setzen nicht nur Zahnimplantate aus dem 3-D-Drucker ein und assistieren bei hoch komplexen Operationen, sie machen Untersuchungen im Labor, überwachen die Medikamentengabe und Vitalfunktionen von Patienten und greifen dabei auf große Datenbanken zu.


Exoskelette sollen Menschen im Rollstuhl das Bewegen der Gliedmaßen ermöglichen, Apps Blinde und Sehbehinderte sicher durch die Stadt lotsen.


Das Start-up Neuralink von Unternehmer, Investor und Fantast Elon Musk arbeitet an Hirnimplantaten, die unsere neuronalen Strukturen direkt mit der Cloud verbinden. So soll zumindest unser Denkapparat samt Inhalt dem Tod ein Schnippchen schlagen. Beam my brain up, Elon!

 

Was kann KI bereits heute besser als ein Arzt, eine Heilpraktikerin oder eine Altenpflegerin?

Das nach dem austro-kanadischen Wissenschaftler Hans Peter Moravec benannte Moravec’sche Paradox definiert Stärken und Schwächen von KI. Bei mathematischen und logischen Aufgaben sind  Menschen dem Computer gegenüber chancenlos.  Emotional, zwischenmenschlich und sensomotorisch sind Roboter uns immer noch klar unterlegen.


Wie bereits aufgezeigt, kann mit riesigen Mengen gefütterte Software ziemlich genaue Diagnosen stellen, Entwicklungen prognostizieren und Therapievorschläge machen. Und ein Rechner hat nie schlechte Laune, wird nicht müde und nimmt sich Zeit.


Nach dem derzeitigen Stand erledigen Roboter nur automatisierte, genormte Arbeiten im Krankenhaus, die vom Menschen überwacht bzw. kontrolliert werden müssen. Ihr Einsatz im Pflegeheim ist in der Testphase.

Wird KI in 20, 30, 40 Jahren den Menschen im Heilberuf ersetzen?

Die meisten Wissenschaftler sind sich einig, dass dies in naher Zukunft nicht passieren wird. Manchen sagen sogar: nie.


Beim Verwerten von komplexen medizinischen Daten oder auch beim Betrachten von MRT-Bildern sind hochentwickelte Computer allerdings heute schon schneller, merkfähiger, objektiver und findiger. Übernehmen wichtige Arbeitsgebiete (speziell den des Pathologen), entlasten den Arzt und lassen ihm mehr Zeit für die Patienten.


Ein Teil der Patientenaufklärung wird, z. B. per App, online geschehen. Vielleicht bald durch eine stets lächelnde virtuelle Ärztin?


Ein Forscherteam hat Experten für Künstliche Intelligenz befragt, wann intelligente Maschinen in unterschiedlichen Tätigkeiten besser sein werden als Menschen. Ergebnis: Im Jahr 2053 könnten Chirurgen aus Fleisch und Blut das Nachsehen haben. In anderen Aufgabenfeldern werden Arbeitnehmer eher betroffen sein. 

In welchen Bereichen werden Arzt, Heilpraktikerin, Therapeutin, Pfleger immer unverzichtbar sein?

Da neuronale Netzwerke selbstlernend und die dabei ablaufenden Prozesse häufig schwer nachvollziehbar sind, wird es letztlich auf die menschliche Einordnung und Abwägung von Schlussfolgerungen der Software ankommen.


Wenngleich es virtuelle Wesen zu Kultstatus gebracht haben und Androiden – humanoide Roboter – im Kommen sind, werden Patienten in absehbarer Zeit ein bewusstes Gegenüber bevorzugen. Menschliche Wärme, Empathie, Fingerspitzengefühl, ein verständnisvoller Blick, Vertrauen und Glaube sind nicht zu unterschätzende Faktoren für einen Heilerfolg. Jede/r möchte gesehen werden, gerade wenn er/sie sich schwach fühlt.


Im Gespräch, in der Interaktion mit Patienten/Klienten nimmt ein guter Arzt, eine kompetente Psychotherapeutin (intuitiv) mehr wahr als mess- und kategorisierbare Anzeichen einer Krankheit, eines Leidenszustandes. Mimik, Ausstrahlung, Tonfall, einschneidende Erlebnisse, Konflikte, familiäres Umfeld, Veränderungen der Lebensweise ... all das sind weitere Hinweise, die womöglich zu einer anderen oder erweiterten Diagnose führen als es die offensichtlichen Fakten „vorgaukeln“.


Gerade alternative Heilmethoden haben ihre Stärke in einer ganzheitlichen Sicht und ergründen über Zusammenhänge hinausgehende Ursachen von Symptomen, seelischer und geistiger Natur.


Integrale Perspektiven schauer noch tiefer und umfassender, berücksichtigen individuelle, psychosomatische, soziale, kulturelle, interdisziplinäre Aspekte, suchen nach versteckten Mustern.


Egal wo, in der Praxis, der Klinik, im Senioren- oder Pflegeheim, überall haben Menschen den Wunsch, dass ihnen jemand mit echtem Interesse zuhört, Erlebnisse, Sorgen, Gefühle aus eigener Erfahrung nachvollziehen kann. Und sehnen sich nach liebevoller Zuwendung. Einer kleinen Geste, einer tröstenden Berührung.


Zu all dem sind Maschinen nicht in der Lage. Und da KI auf Masse (an Daten) ausgerichtet ist, steht zu befürchten, dass alternative und weniger gängige Therapieverfahren durchs Raster fallen.

Forscher spielen Gott

Bislang kaum ins öffentliche Bewusstsein gelangte radikale medizinische Veränderungen finden im Bereich der Mikrobiologie statt: Biohacking, Gen-Editing, Genprofil, Genschere CRISP/Cas9 – was kommt da auf uns zu?


Der nächste Schritt nach dem Lesen und Analysieren von Erbgut ist das Biohacking, der gezielte Eingriff ins Erbmaterial, die Manipulation und Steuerung der Evolution.


Gentechnisch veränderte Pflanzen sind längst auf dem Markt. Genmanipulierte Schweine könnten schon bald Spenderorgane „liefern“.


Auch vorm Menschen wird nicht haltgemacht. Mit der Genschere CRISP/Cas9 lassen sich einzelne Stellen im DNA-Strang herausschneiden, ausschalten, neu einbauen. So sollen Krebs, HIV und Erbkrankheiten besiegt werden.


(Künstliche) DNA ist ein hervorragendes Speichermedium – hier schließt sich der Kreis zwischen mikrobiologischen und digitalen Umwälzungen.

Risiken und Nebenwirkungen

Nach den erwähnten Chancen nun zu den Schattenseiten.


Daten sind das Gold des digitalen Zeitalters, und die Mächtigen dieser Welt eignen sich dieses Gold an. Gern ungefragt, ungehemmt, unseriös, heimlich, wenn’s sein muss kriminell.


Spätestens seit den Enthüllungen von Edward Snowdon offenbart sich Georg Orwells düstere Vision vom Überwachungsstaat als erschreckend aktuell. Was haben diese Enthüllungen bewirkt? Snowdon lebt im Asyl und wird von den USA per Haftbefehl gesucht, denn seine Aufdeckung des „Verrats westlicher Werte“ gilt, wie der Publizist und freie Autor Christian Nürnberger („Die verkaufte Demokratie“ / siehe Interview) schreibt, „den Verrätern als Verrat“.


Und was tun wir? Wir entblößen uns trotzdem unbekümmert weiter. Haben ja nichts zu verbergen.


Beispiel Smartphone: „Dieses Gerät setzt andere in die Lage, mich zu überwachen, zu verfolgen, zu manipulieren, mit meinen Daten Geld zu verdienen und Macht und Herrschaftswissen zu erlangen“, so Nürnberger. „Es verfügt über Funktionen, die ich gerne abschalten würde. Aber ich kann nicht.“


Überwachung und Datendiebstahl kommen auf leisen Sohlen und smarte Weise als kognitive Systeme, das Internet der Dinge, in Elektrogeräte, Autos, unser trautes Heim. Mit einfachen Tricks lassen sich persönliche Daten aus einer vernetzten Glühbirne auslesen. Die Kamera eines Laptops oder Saugroboters hackt ein Profi lässig nebenbei: mal schauen, was wir so alles unter den Teppich kehren. Jedes gesprochene Wort, das unsere putzigen Sprachassisten Alexa, Siri und Google Assistant hören, wird auf den Energie fressenden Servern von Amazon, Google und Apple gespeichert – und vergoldet. Wen kümmert’s?


„Ausnahmslos alles, was wir unseren elektronischen Helferlein anvertrauen, erzählen sie weiter. An den Handel, die Industrie und die Geheimdienste. Wir sind nicht nur vollkommen gläsern geworden, wir haben uns auch erpressbar und manipulierbar gemacht“, mahnt die Juristin und IT-Insiderin Yvonne Hofstetter („Sie wissen alles“).


Sogar wenn wir persönliche Daten so gut wie möglich (online) zurückhalten und schützen, bringen intelligente Maschinen – über Ortswechsel, Bewegungsdaten, Kaufverhalten – genug in Erfahrung, um unseren virtuellen Zombie zu erstellen.


In China setzt man alle digitalen Hebel in Bewegung. Ziel: mit einem flächendeckenden Punktesystem „gute“ von „schlechten“ Bürgern
unterschieden. Eine Art staatliche all-inclusive-Schufa. Am „Smart Campus“ tragen Schüler Jacken mit integriertem Chip, GPS und Alarm – adieu, schwänzen, schlafen, faulenzen. Per Gesichtserkennung wird die Aufmerksamkeit im Unterricht beobachtet und das Mittagessen bestellt.


Zurück nach Deutschland und zum Gesundheitswesen. 2019 soll auch hierzulande die „Elektronische Patientenakte“ durchstarten. Es wird beteuert, der „gläserne Patient“ bleibe Herr seiner Daten. Ein Versprechen, auf das wir uns nicht verlassen sollten. Intime, von Kliniken gespeicherte Krankendaten wurden bereits gehackt und im Darknet für teures Geld angeboten. Christian Nürnberger denkt noch einen Schritt weiter: „Staatliche Stellen, Parteien, Unternehmen, Arbeitgeber werden solche Daten kaufen, mit ihnen handeln, einander zuschanzen, und wenn sich einer um einen Arbeitsplatz bewirbt, dann hat der Personalchef nicht nur die Gesundheitsdaten des Bewerbers auf dem Schirm ...“. Und wie werden Krankenversicherer Kunden mit erhöhtem Gesundheitsrisiko begegnen?


Mediziner sind ebenfalls skeptisch – was ist mit der ärztlichen Schweigepflicht? Und wie sieht es bei rechtlichen Fragen aus? Gehackte Daten werden veröffentlicht, KI stellt eine falsche, folgenschwere Diagnose, der Roboter verpfuscht die Operation – wer übernimmt die Verantwortung?

 

Ein fataler Irrweg?


Nicht nur per (digitaler) Überwachung, Aus- und Bewertung – und dadurch bewirkte bewusste oder unbewusste Selbstkontrolle – wird am optimierten Menschen gewerkelt. Wer möchte schon einem Triumph mittels Genschere über als nahezu unheilbar geltende Krankheiten im Weg stehen? Doch niemand weiß, wie sich der unumkehrbare Eingriff in die DNA über mehrere Generationen auswirken wird. Nichtsdestotrotz wurden in China schon gentechnisch veränderte Babys geboren. Und der Schritt vom Heilen zum Designen ist klein.


Die synthetische Biologie setzt noch einen drauf. Mit neu geschriebenen Erbinformationen sollen Cyborgs und neue Geschöpfe erschaffen werden. Dr. Frankenstein lässt grüßen.


„Die Evolution ist steuerbar geworden. Die potenziellen Risiken sind existenziell“, warnt Start-up-Investor Benedikt Herles („Zukunftsblind“).


Den Verlockungen von KI können selbst demokratisch gewählte Regierungen schwer widerstehen. Der Gedanke an Big Data und Gentechnik als Spielball von militärischen, autoritären und kriminellen Interessen sollte uns erschauern lassen.


„Ich fürchte mich vor dem Tag, an dem die Technologie unsere Menschlichkeit übertrifft. Auf der Welt wird es nur noch eine Generation aus Idioten geben“, malte Albert Einstein den Teufel an die Wand. Ob Superrechner à la HAL 9000 aus dem Film „2001: Odyssee im Weltraum“ sich irgendwann emanzipieren und den Menschen als das „eigentliche Problem“ deuten, wird heiß diskutiert. Stephan Hawking äußerte sich mehrfach kritisch, KI könne das „größte Ereignis in der Geschichte unserer Zivilisation sein. Oder das Schlimmste.“
 
Gesellschaftliche Verwerfungen

Befürworter reden vom Aufbruch, erhoffen sich, dass KI das menschliche Denken erweitern, das Dasein erleichtern, die Nahrungsmittelproduktion effizienter, den Straßenverkehr sicherer, die Arbeitswelt schöner machen wird und uns von reproduzierbaren und monotonen Tätigkeiten erlöst. Frei werdende Kräfte engagieren sich in Forschung, Bildung, im Sozialbereich. KI rettet das Klima, die Arten, unser Leben. Mit gentechnischen Verfahren werden Embryonen gegen jede Art von Krebs immunisiert.


Kritiker sind der Meinung, mikrobiologischer Wandel, Robotik und Künstliche Intelligenz konzentrieren Geld, Macht und Know-How noch mehr auf einzelne Global Player. Stephen Hawking über KI: „Sie bringt Gefahren mit sich, wie mächtige autonome Waffen oder neue Wege für die wenigen, die vielen zu unterdrücken. Sie könnte unsere Wirtschaft stark zerstören.“


Die Folgen der Finanzkrise sitzen uns noch in den Knochen. Als wäre nichts gewesen, lässt man weiterhin Hochfrequenzalgorithmen ohne menschliches Zutun den Wertpapierhandel bestimmen. Und technisches Versagen ist an den Börsen kein Einzelfall.


„Roboter statt Arbeiter, Reiche werden reicher, Armsein im Alter: Die Ungleichheit droht sich dramatisch zu verstärken“, gibt Alexander Hagelüken („Das gespaltene Land“), Leitender Redakteur der SZ für Wirtschaftspolitik, zu bedenken. „Menschen wären zur Untätigkeit verdammt. Oder zu unwürdigen Löhnen beziehungsweise zu einer Selbstständigkeit, die sie zu vogelfreien Clickworkern degradiert.“ Benedikt Herles drückt es drastisch aus: „Nutzlose Massen sind eine Gefahr für sozialen Frieden und die Demokratie“ und „der Traum jedes Populisten“.


Yvonne Hofstetter benennt die Anzeichen der Big-Data-Willkür: „Die Aufhebung von Grundrechten und die Steuerung der Zivilgesellschaft durch Informations-, Verhaltens- und Gefühlskontrolle sind genau die Zutaten der Diktatur, besser: einer absolutistischen Herrschaftsform, in der mathematische Eliten die Zukunft des Menschen vorherbestimmen.“

Absturz oder Update?

Um Risiken zu minimieren, die digitale und mikrobiologische Revolution zu kultivieren und deren Chancen zu nutzen, sollten wir wohl besser vorwärts statt rückwärts denken – und uns energisch für unsere Freiheit einsetzen.


Das fängt im Kleinen an: jede/r Einzelne kann sich fragen, ob er/sie sich der digitalen Technik unterwerfen will oder nicht doch lieber den alten Staubsauger in die Hand nimmt, im Supermarkt anstelle eines Smartphones den handgeschriebenen Einkaufszettel befragt, auf die PAYBACK Karte verzichtet und bar bezahlt, das zentrale Speichern medizinischer Daten ablehnt, das rechte Maß beim Benutzen digitaler Medien findet, also „Datensparsamkeit“ pflegt und lieber dreimal überlegt, was er/sie den sozialen Medien anvertraut ...


Vor allem brauchen wir, so Hofstetter, „neue Regeln für eine neue Zeit, eine Weiterentwicklung – ein Update – unserer Gesellschaft und ihres Rechtswesens.“ Menschenwürde, Freiheit, Gerechtigkeit, Grundrechte stehen nicht (weiter) zur Disposition. Bezogen auf Digitalisierung bedeutet das: Persönliche Daten haben Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen und dürfen ohne Zustimmung weder abgegriffen, gespeichert, analysiert noch gehandelt werden. Hier muss der Staat Vorbild sein, gesetzgeberisch und steuerrechtlich eingreifen, vor allem in Bezug auf die kommerziellen Big-Data-Giganten. Bürger müssen ihre – von Institutionen und Firmen – gespeicherten Informationen einsehen können, Datenanalysen erklärt bekommen.


Politiker, Software-Entwickler, Forscher und Unternehmer sind verpflichtet, ihrer Verantwortung gerecht zu werden.


Algorithmen- und Datenkontrolle, Robotersteuer, Bekämpfung von Machtkonzentration, Aktien für alle, weltweite Kooperationen, bedingungsloses Grundeinkommen, Bürger-Blockchain, das sind diskussionswürdige Stichworte für eine digitale Zukunft, von der die Allgemeinheit profitiert.


Gerade im Gesundheitbereich, bei ePA und Genschere sind hohe Datenschutzvorgaben und global verbindliche ethische Normen unverzichtbar.

Ausblick

Benedikt Herles ist sich sicher: „Nicht Maschinen sind das Problem, sondern die Art, wie wir sie benutzen. Nicht mikrobiologische Innovationen sind ein Risiko, sondern deren unbedachter Einsatz.“


Menschliche Intelligenz als Zünglein an der Waage? Wahrscheinlich brauchen wir mehr als das: im Idealfall ein verantwortungsvolles, integral denkendes und mitfühlendes, von allumfassender Liebe geleitetes, auf Gemeinwohl, soziale Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit ausgerichtetes Bewusstsein, das viele Perspektiven weise berücksichtigt.


Doch wie ist es darum bestellt in unserer Welt? Schauen wir uns um ... Nun ja, hoffen wir das Beste.