Sehnsucht nach tiefer Berührung

Wir alle sind im Außen auf der Suche nach der Person, in die wir uns verlieben und die uns tief berühren soll. Dann kommt sie, die Zeit der Verliebtheit, die uns offen und glücklich sein lässt. Endlich haben wir gefunden, was wir suchen: die Person, die uns in der Tiefe berührt, aber dann Von Heike Wilken, Dipl. Psychologin, HP (Psych.), Physiotherapeutin, Bielefeld

Der Alltag kommt, die Verliebtheit verfliegt. Was ist mit dem/der Liebsten passiert, die uns so tief berührt hat? Was ist mit uns passiert? Je näher wir uns kommen, desto stärker wird die Angst, nicht richtig zu sein: "Wenn der andere mitbekommt, wie ich wirklich bin, dann verlässt er mich vermutlich. So, wie ich bin, kann mich unmöglich jemand lieben." Abhängig und verletzlich möchte keiner sein. Die Gefühle, die hochkommen, sind unangenehm. Der Partner, die Partnerin ist schuld. Wir fangen an, uns zu verbiegen, Mauern aufzubauen. Wir versuchen, unsere Gefühle zu verbergen oder ziehen uns zurück. Nichts fühlt sich so an, wie am Anfang: "Das kann doch nicht die Person sein, die mich so tief berührt hat. So habe ich mir das nicht vorgestellt". Je weniger wir von den Gefühlen zeigen, die in uns sind, desto stärker distanzieren wir uns von uns selbst und von einander. Wir werden unberührbar und unverletzlich. Es braucht Mut, sich immer wieder mit der Angst zu konfrontieren, abgelehnt zu werden, nicht richtig zu sein und verletzt zu werden. Dabei wird es immer wichtiger, zu sich selber zu stehen, die Verantwortung für sich selbst zu übernehmen, sich selber zu lieben. Was nützt es, wenn wir uns verbiegen? Wir bleiben zwar scheinbar unverletzlich für andere, aber verletzten uns selbst und bleiben in der Tiefe verschlossen und unberührbar. Die Sehnsucht nach tiefer Berührung bleibt.

Trau dich, ganz zu deinem Wesen mit all deinen Seiten zu stehen. Lass dich schmelzen, berührbar und verletzlich werden, damit die Liebe dich erreichen kann. Habe den Mut, damit zu beginnen, warte nicht darauf, dass der andere anfängt!


Raum zum Lieben

Frauen und Männer haben es nicht immer leicht miteinander. Man spricht sogar schon davon, dass sie von verschiedenen Planeten kommen und sich hier kaum verständigen können. Es gibt sicherlich geschlechtsspezifische und auch persönliche Eigenarten, die einem gelungenen Miteinander im Wege stehen.  Von Antje Uffmann, HP (Psych.), Bielefeld

Richten wir aber den Blick darauf, was sich beide wünschen, dann hört sich das gar nicht so verschieden an: Verbundenheit, Lebensfreude, Sexualität und Liebe, auch gemeinsame Entspannung und Humor. Fragt sich nur noch, wie man am besten dahin kommt.

Als Paare verdienen und brauchen wir Unterstützung. Unser schneller und komplexer Lebensalltag erfordert heute von Paaren enormen Einsatz und viel Kraft. Wir sehen uns gegenseitig mit höheren Erwartungen an, als die Generationen vor uns. Wir l(i)eben mit erweitertem Risiko – aber auch einem großen inneren und äußeren Potential. Als Paar sind wir immer mal wieder festgefahren, verstehen uns und den anderen nicht, sind enttäuscht oder ratlos. Glücklicherweise gibt es ganz normales irdisches Handwerkszeug, das den Kommunikationsfluss herstellen kann und ein liebevolles Miteinander im Alltag unterstützt. Ein grundlegendes tool nennt man in der Psychotherapie "Introspektionsfähigkeit", in der Praxis heißt das: Ich schaue immer mal wieder mit größtmöglicher Freundlichkeit in mich selbst hinein. Entdecke meine Bedürfnisse, verstehe, wie ich reagiere und welche alten Beziehungsmuster, die ich von Mutter und Vater gelernt habe, gerade wirken. Das nächste Werkzeug heißt Kreativität. Anstatt automatisch zu reagieren, wenn der Partner mir gerade wieder bestimmte Knöpfe drückt, wende ich meine wunderbaren kreativen Gaben an und sage etwas Neues – überraschend und in Verbindung mit dem, was ich wirklich möchte. Um kreativ zu sein, brauchen wir Menschen meistens eine große Portion Entspannung. Und so geht es in der Paartherapie und Sexualitätssprechstunde immer wieder um diese Frage: Wie können wir uns entspannen? Liebe und Intimität sind die Bereiche im Leben, wo wir am verletzlichsten sind. Wenn wir unser Herz und unseren Körper öffnen, fühlt es sich deshalb oft gefährlich an. Dann schützen wir uns. Das ist sehr anstrengend. Einen sicheren und weiten Raum zum Lieben zu erschaffen, ist deshalb für jedes Paar eine Herausforderung, die sich lohnt. Mit Achtsamkeit den eigenen Paar-Verwicklungen auf die Schliche zu kommen setzt voraus, dass wir den inneren Kritiker nicht in der Beziehung mitmischen lassen, sondern immer wieder üben, ohne Urteil und Bewertung alles anzuschauen. Mich selbst, meinen Körper. Den Anderen. Das lernen wir nicht in der Schule. Aber im Leben gibt es immer wieder Gelegenheit dazu: Auch jetzt – in diesem Moment. Atmen Sie einmal tief durch. Entspannen Sie sich beim Ausatmen. Schauen Sie mit einem wohlwollenden Blick auf sich und das, was Sie gerade tun. Wir Menschen lernen am besten in freundlicher Umgebung. Das gilt vor allem für das Lieben.


Gesunde Beziehungen

In gesunden Beziehungen herrschen Freiheit und Liebe. Gesunde Beziehungen sind ein freiwilliges Zusammen-Sein, Zusammen-Gehen
und Zusammen-Leben von zwei oder mehreren Menschen. 
Von Vandan Ulf Münkemüller, HP (Psych.), Bielefeld

Die Haltung in gesunden Beziehungen ist wohlwollend und liebevoll interessiert, die Beziehung dient jedem Einzelnen zur Versorgung, Entfaltung und Inspiration. Gesunde Beziehungen sind sinnstiftend und beglückend. Doch gesunde Beziehungen sind selten. Wir unterscheiden einmal drei Arten von Beziehung: ABHÄNGIGE BEZIEHUNGEN erleben wir alle ganz natürlich in unserer Kindheit. In ihnen sind wir real abhängig von der Zuwendung der uns umgebenden Erwachsenen. Um uns die Zuwendung, von der unser Überleben abhängt, zu sichern, lernen wir mit allen möglichen Tricks, mit Leiden, Verführen und Aggressivität, unsere Gegenüber zu manipulieren. Ist unser Gegenüber, aus eigener Bedürftigkeit, nicht in der Lage, diese Manipulationen zu erspüren und ihnen zu widerstehen, entwickeln sich CO-ABHÄNGIGE BEZIEHUNGEN. In ihnen lernen wir ungesunde Beziehungsmuster, die sich durch gegenseitige Abhängigkeiten und manipulative Strukturen kennzeichnen. Dieses in der Kindheit gelernte co-abhängige Beziehungsmodell ist nun für uns „das einzig Wahre“, weil es das Einzige ist, das wir kennenlernen konnten. Moralische Überzeugungen, Selbstzweifel und Schuld- und Schamgedanken sorgen dafür, dass wir nun eingesperrt in unseren co-abhängigen Beziehungen funktionieren. Unser Leben wird unfrei und liebesarm. Wenn wir gesunde Beziehungen erleben wollen, brauchen wir den Mut, unseren inneren Mangel auszuhalten, den Mut die Trauer, den Schmerz und die Angst zu fühlen, und den Schleier der Vorstellung liebender Eltern und einer glücklichen Kindheit in unserer Erinnerung fallen zu lassen. Gesunde Beziehungen und ein Leben in Freiheit und Liebe sind möglich, wenn wir uns trauen, in Wahrheit und wirklich wahrhaftig zu leben.

Ucik, Martin: Integrale Beziehungen

Der Markt ist von "Tausenden von politisch-korrekten und vereinfachenden Beziehungs-Ratgebern überflutet." Da diese "auf Frauen und ihre Interessen abzielen", hat Martin Ucik "Integrale Beziehungen" nur für Männer geschrieben und will damit denen „eine empfindsame Lösung“ bieten, "die sich eine gesunde, lang anhaltende Liebesbeziehung mit einer Frau erarbeiten möchten ..." mehr

Das große 1-2-3 des In-der-Welt-Seins

Eine Beziehung stellt einen Kontakt, einen inneren Zusammenhang her – zwischen Dingen, Phänomenen, Menschen. Wenn ich mich also auf etwas beziehe, setze ich etwas in Relation (zu mir), stelle eine Verbindung her. Zu mir selbst, zu einem anderen, einer Gruppe, zur Natur, zum großen Ganzen.  Von tg

Sprechen wir von Beziehung, meinen wir meistens eine Liebesbeziehung zu einem Partner/einer Partnerin. Wir verbinden damit erotische Anziehung, körperliche, geistige und seelische Nähe, Zärtlichkeit, Vertrauen, Hingabe, Sicherheit, Unterstützung. Im besten Fall profitieren wir voneinander, spiegeln uns gegenseitig, teilen Interessen, setzen uns ähnliche oder gleiche Ziele, wachsen an Krisen und entwickeln uns gemeinsam weiter, hin zu größerer Offenheit, Freiheit, Mitgefühl, Verbindlichkeit. Die Zweierbeziehung ist immer noch das häufigste Modell des Zusammenseins/Zusammenlebens als Ausdruck von Liebe und Zugehörigkeit. Die Formel lautet: ich + du = wir. Ein Wunder ist geschehn – wir fühlen, dass der andere ein Teil von uns ist. Eine neue Welt, ein neuer Raum ist entstanden, der von außen gesehen bestimmten Regeln und Strukturen folgt, innerlich betrachtet von gemeinsamen Gefühlen, Wünschen, Visionen geprägt ist. Und natürlich auch, wie nicht nur Woody Allen zu berichten weiß, von Konflikten: „Man tut sich zu zweit zusammen, um Probleme zu umgehen, die man als einzelner gar nicht hätte“. Ein Wir entsteht nicht nur in einer Partnerschaft, sondern – mit zum Teil anderen äußeren und inneren Ausdrucksformen – bei einer Eltern-Kind-Beziehung, einer Freundschaft, einer Geschäftsbeziehung, bei zufälligen Begegnungen.

 

Das kleine Einmaleins der Selbstliebe

 

Nun gibt es, in Anlehnung an das Bibelzitat: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“, diesen berühmten Satz, der uns ermahnt, dass nur, wer sich selbst liebt, auch den Nächsten lieben kann.
Wie dem auch sei – hier findet sich der Hinweis auf eine sehr intime „Einzelbeziehung“, die wir unser ganzes Leben haben, die Beziehung zu uns selbst. Die, und hier muss Woody Allen widersprochen werden, Probleme aufwirft, welche unvermeidlich spätestens in einer Zweierbeziehung aufs Tapet kommen: Bin ich zufrieden mit meinem Körper, kann ich meine Gedanken und Gefühle einordnen, wie steht es es um mein Seelenleben, meine Ängste, Sorgen, Schatten, Hoffnungen, Träume, wer bin ich überhaupt, wo ist mein Platz im Universum, macht mein Leben Sinn? Fragen, die das Individuum zu einem Sucher machen, Selbsterforschung und Selbstverwirklichung in den Fokus rücken, somit die persönliche Weiterentwicklung forcieren. Über Selbsterkenntnis kann eine gesunde Selbstliebe entstehen, Liebe, die über Egoismus und Narzissmus hinauswächst. Überfließt, andere mehr und mehr miteinbezieht, die Welt umarmt.

 

Wenn es zu Herzen geht

 

Die objektive Sicht der „dritten Person“, vorurteilsfreies Beobachten, stellt eine eher sachliche Beziehung her. In besonderen Situationen kann sie einen kurzen Einblick in die Wahrheit eines zeitlosen, erfüllenden Augenblicks einfangen. Jede/r hat es schon mal erlebt – das Staunen über die Schönheit des Daseins. Es überkommt uns aus heiterem Himmel, es erfüllt uns innerlich mit Freude und Zufriedenheit. Wenn wir von einem Berggipfel über die Wälder schauen. Am Strand, wenn die Sonne glutrot im Meer versinkt. Beim Betrachten von Schneeflocken, einem flirrenden Lichtstrahl, ruhig dahinziehenden Wolken. Wir tauchen ein in eine schwer zu beschreibende Beziehung, die die zu uns selbst und zu anderen Menschen erweitert.

 

Forscher gehen der Wahrheit mit kühlem Kopf auf den Grund, indem sie handfeste Materie, deren Energie, Verhalten und Gestalt untersuchen.  Und obwohl sie auf ein begründetes, geordnetes und für gesichert erachtetes Wissen setzen, erleben auch sie die Grenzen der Wahrnehmung sprengende Überraschungen. Nüchtern erscheinende, mathematische Formeln abstrahieren z. B. fantastisch anmutende Beziehungen zwischen Licht, Masse, Zeit und Raum. Der geniale Physiker Albert Einstein drückte seine Verblüffung so aus: „Es gibt nur zwei Arten zu leben. Entweder so als wäre nichts ein Wunder oder so als wäre alles ein Wunder“.

Vom kleinen Einmaleins zum großen 1-2-3

Beziehung kann also aus drei elementaren Perspektiven wahrgenommen werden. Aus der subjektiven Perspektive der ersten Person „ich“ (Selbstliebe, Selbsterfahrung, Selbsterkenntnis ...), durch Einbeziehung von (mindestens) einer zweiten Person „du“, woraus ein neues, intersubjektives „Wir“ entsteht (Partnerschaft, Freundschaft, Eltern-Kind-Beziehung ...), und aus der objektiven Perspektive der dritten Person „es“ (Betrachtung von Phänomenen, Dingen, der Natur ...). Drei verschiedene Möglichkeiten, Beziehung in der dualen, manifestierten Welt mit all dem Glück und all dem Leid innerlich zu erfahren und mit Abstand von außen zu betrachten. (Es gibt noch eine vierte, interobjektive Perspektive der dritten Person: „sie“, mit der die Struktur von Beziehungen in Augenschein genommen wird. Der Einfachheit halber wird „es/sie“ zur dritten Person zusammengefasst).
Unsere „kleinen“ Beziehungen sind Ausdruck des großen Ganzen. Gott, die Göttin, die Schöpfung, die Existenz – wie immer wir es nennen – manifestiert sich in uns, sieht durch unsere Augen, erkennt sich selbst in uns. Ein vielleicht anfänglich seltsamer Gedanke, der – ziehen wir die Ergebnisse integraler Forschungen, wie die des Philosophen Ken Wilber, zurate – durchaus einleuchtet. Um es zu veranschaulichen: Wir sind alle aus Sternenstaub gemacht und entwickeln uns ständig weiter. Unser Bewusstsein ist fähig dazu, über Leben und Tod und Sinn zu reflektieren. In einer Liebesbeziehung suchen wir nach dem gemeinsamen Nenner, der Einheit. In der Natur nach einem Gespür für unseren Platz im Universum. Intuitiv wissen wir, dass wir mit dem großen Ganzen, Ewigen, Zeitlosen verbunden sind. Und dass es in uns wirkt.
Die Suche nach Erkenntnis ist uns mit in die Wiege gelegt worden. Beziehung ist der Raum, in dem Erkenntnis geschieht. Spiritualität ist Ausdruck einer Sehnsucht, eine Haltung, eine Art der Erfahrung, die auf über unsere kleinen Beziehungen hinausgehende Erkenntnis, auf umfassendere Beziehung abzielt. Womit wir zum großen 1-2-3 des In-der-Welt-Seins kommen.

 

Die Komposition des Lebens


Meditation ist eine erprobte, erlernbare Technik, um in der ersten Person der Frage „Wer bin ich?“ auf den Grund zu gehen. Die Reise geht von grobstofflichen über subtile zu kausalen Zuständen und gipfelt im nondualen Urgrund, in dem Form und Leere eins sind, was in den östlichen Weisheitstraditionen als „reines Bezeugen“ bezeichnet wird oder, besser bekannt, als Erleuchtung. Eine so starke Zustandserfahrung, dass sie unsere Beziehung zu uns selbst ziemlich auf den Kopf stellt. Wir sehen uns quasi in einem völlig neuen Licht.
Gott, der Göttin, der Quelle, wie auch immer wir es nennen, begegnen wir in der zweiten Person als dem große Du. Grenzenlose Liebe, Hingabe, Demut, Andacht, Gebet sind dafür nötig. Hier und jetzt, als Offenbarung. Ein Terrain, auf dem die Religion zu Hause ist. Der moderne Mensch hat oft Schwierigkeiten mit Gott als großem Du, da er sich vom konventionellen, mythischen Gott abgewendet hat. Aber das große Du lässt sich auch als moderner, postmoderner, integraler Mensch erfahren. In einer transzendierten, zeitgemäßen Form, die es zu erforschen gilt. Lassen wir noch einmal Albert Einstein zu Wort kommen: “Wissenschaft ohne Religion ist lahm, Religion ohne Wissenschaft ist blind“.
Das große Es, die Vollkommenheit der Existenz, der Schöpfung entsteht in der dritten Person als „weites, unpersönliches evolutionäres System, die große ineinandergreifende Ordnung, die Große Holarchie des Seins“ (Ken Wilber). Anders ausgedrückt: Beim Blick vom Berggipfel über die Wälder, beim Sonnenuntergang, beim Betrachten von Schneeflocken, dahinziehenden Wolken entdecken wir ein Funkeln zwischen den Dingen, einen Klang, einen Duft, der alles und jeden durchdringt. Uns wird zutiefst bewusst: Es gibt keine Trennung, alles ist auf wundersame Weise miteinander verbunden. Wir haben Einsicht in den „göttlichen Plan“. Mit einer unmstößlichen Gewissheit, die weiß und doch nicht weiß. Eindrucksvoller und zugleich stiller als eine mathematische Überraschung, als der uns aus heiterem Himmel erfüllende Moment, der uns schon ein um das andere Mal in (ungläubiges) Staunen versetzt hat.

 

Beziehungskiste oder Liebesgeschichte?

 

Das kleine Einmaleins der Beziehungen und das große 1-2-3 des In-der Welt-Seins sind grundlegende Perspektiven der menschlichen Wahrnehmung in der ersten, zweiten und dritten Person. Immer und von Anfang an präsent als sich ständig fortentwickelnde, miteinander verwobene Dimensionen. In der Manifestation des alltäglichen Lebens und als transzendente Zustandserfahrung. Nur wenn wir jede der Perspektiven, der Dimensionen einnehmen können und wollen und an unserer Weiterentwicklung interessiert sind, treten wir im Bereich der uns gegebenen Möglichkeiten durch und durch in Kontakt mit unserem Selbst, mit den Menschen, die uns begegnen, die wir lieben, mit der Schönheit und Komplexität der Welt, des Universums. Unser Leben wird nie wieder zu einer engen Beziehungskiste, sondern zu einer wundervollen Liebesgeschichte.   

Die Qualität meiner Beziehungen

Es ist nicht so einfach mit den Beziehungen. Ich mit mir – ist das fürsorglich und wertschätzend, findet das überhaupt statt? Ich mit dir – wie schwierig ist der lebendige Kontakt, wie komplex der Tanz um die wunden Punkte in der Beziehung! Ich mit dem Leben – fühle ich Verbundenheit?  Von Antje Uffmann, HP (Psych.), Bielefeld

Von der Zeugung bis zum Tod hängt unser Wohlbefinden und unsere Reifung in erster Linie von der Qualität unserer Beziehungen ab.

 

Das Bewusstmachen der Beziehungen in den verschiedenen Systemen – Ursprungsfamilie – Gegenwartssysteme – Innere Teams – gehört daher zu den Basics der psychotherapeutischen Arbeit. Ob in der Gruppe oder in der Einzelarbeit aufgestellt wird, ob mit Kissen, Zetteln, Holzfiguren oder genealogischen Graphiken – immer geht es darum, die prägenden Beziehungen sichtbar und spürbar zu machen und ihren Einfluss auf meine aktuelle Situation zu verstehen.

 

Warum ist das so wichtig?

 

Wir sind Beziehungswesen durch und durch, weil wir nur durch Bindung und Beziehung überleben.Wir kommen mit einem starken Bindungsinstinkt zur Welt und sind als Kinder und Jugendliche abhängig von den Menschen unserer Familie – und von ihrer Beziehungsfähigkeit! Vertrauensvolle Primärbindungen schützen und nähren uns, geben uns Orientierung und Zugehörigkeit, ermöglichen die Erfahrung von Wertschätzung und Liebe.


Aber auch Verletzlichkeit gehört zur Natur von Bindung – der Mensch, dem ich am meisten vertraue hat das Potenzial, mich auch am tiefsten zu treffen.

 

Es wird schon deutlich: Die Qualität der Beziehungen ist etwas Graduelles, und da kann vieles schiefgehen. Wenn etwas fehlt – Wärme, Bewusstheit, Nähe, Raum, Lebendigkeit. Wenn etwas zuviel ist – Stress, Anspannung, Leistungsdruck, Erwartungen, Urteil. Wenn die Rollen durcheinander geraten und sich Kinder unbewusst um instabile Eltern kümmern. Wenn es Unerlöstes gibt – Trauma, Brüche und Verluste. Wenn Beziehungsreife fehlt.

 

Und die ist ja unser aller Lernfeld als Menschen. Gelungene Therapie und Aufstellungsarbeit zeigt und ordnet die Bindungsmuster im Inneren. Das bringt Entlastung, schafft Raum für Liebe und führt in eine tiefere Beziehungsqualität.

 

Ich mit mir. Du und ich. Ich und wir und das Leben.

 

Wenn ich die Qualität meiner Beziehungen vertiefe, verändert sich alles.

 

Alles? Ja!


Liebe ohne Leiden ...?

"Ich wünsch dir Liebe ohne Leiden" hat vor einigen Jahren Udo Jürgens mal gesungen und ich musste schmunzeln, weil mir die Unmöglichkeit dieses Wunsches schon damals ziemlich klar war.  Von Vandan Ulf Münkemüller, HP (Psych.), Bielefeld

Es ist ein schöner Wunsch, und soweit ich mich erinnere, war er an seine Tochter gerichtet, und der Wunsch eines Vaters, alles Leid von seinen Kindern fernzuhalten, ist nur allzu verständlich.

 

Und dennoch ist und bleibt dieser Wunsch unerfüllbar, denn jeder Mensch und jede Seele kommt auf diese Welt, um das gesamte Spektrum seiner Erfahrungsmöglichkeiten auszuschöpfen, und dazu gehören nun auch einmal schmerzhafte und leidvolle Erfahrungen.

 

Und deshalb tut ein Vater, der alles Leid von seinem Kind fernhalten will, in Wirklichkeit seinem Kind keinen Gefallen damit. Im Gegenteil, er fördert in seinem Kind die Illusion leidloser Liebe und schmerzfreien Lebens und hindert es auf diese Art daran, mit den Realitäten des Lebens in Kontakt zu kommen und zu lernen, kreativ, kraftvoll und liebevoll mit ihnen umzugehen.

 

Menschen, die in dieser Illusion gefangen sind, jagen ihr Leben lang hinter "dem richtigen Partner" her, weil sie den Traum der schmerzlosen Liebe träumen. Sobald sie in ihren Beziehungen mit Schmerzen in Kontakt kommen, ist dies für sie ein sicheres Zeichen, dass dies noch nicht "der oder die Richtige" ist. Wenn sie sich jetzt nicht sofort vom anderen trennen, so landen sie doch in einem endlosen Strudel aus Zweifeln, die dafür sorgen, dass echte Intimität sich nun nicht mehr einstellen kann. Jede weitere schmerzliche Erfahrung nährt die Zweifel und die Abwärtsspirale der Beziehung setzt sich fort.

 

Liebe ohne Leiden ist ein Traum!

 

In Wahrheit liegt ein wesentlicher Sinn unserer Liebesbeziehungen darin, dass wir uns gegenseitig wehtun. Ich meine hier kein Wehtun aus Boshaftigkeit, sondern ein Wehtun als Aspekt des Lebens und der Liebe selbst.


Wenn ich den anderen wirklich liebe, dann lasse ich ihn frei, dann kann er nicht nur machen, was er will, sondern es liegt mir sogar am Herzen, dass er macht, was er will, weil ich ihn liebe und weil ich möchte, dass seine Seele blühen kann.

 

Wenn zwei Menschen miteinander in Liebe sind, dann ist diese Achtung der Freiheit und Autonomie des anderen ein sicheres Zeichen für ihre Liebe.

 

Wenn zwei Menschen in Liebe sind, entsteht echte Intimität, und diese Intimität muss nicht einmal zwangsläufig sexuell sein.

 

Echte Intimität bedeutet, mich dem anderen in meiner ganzen Nacktheit, ungeschützt, mit all meinen Anteilen, mit meiner Schwäche wie meiner Stärke, mit meiner Trauer und meiner Freude, meiner Genialität und meiner Dummheit zu zeigen.

 

Echte Intimität bedeutet Wehrlosigkeit

 

Echte Intimität öffnet all unsere versteckten Wunden, unseren Schmerz und unsere Trauer. Wenn wir lieben, tut das manchmal höllisch weh! Und dieser Schmerz ist sinnvoll, weil wir durch ihn das Öffnen unserer Wunden erleben und hierdurch die Möglichkeit zur Heilung geschenkt bekommen.

 

Nicht, dass der andere jetzt dafür da wäre, unsere Wunden zu heilen. Nein, sein Job ist sozusagen mit dem Öffnen der Wunde getan. Aber wir selber sind durchaus in der Lage, uns zu heilen, indem wir unsere Schmerzen liebevoll begrüßen und uns selber, in unserem Leiden, mütterlich umarmen.


Zuneigung und Wohlwollen

Einem anderen Menschen wirklich mal zuhören ist eigentlich gar nicht so schwierig.  Von Vandan Ulf Münkemüller, HP (Psych.), Bielefeld

Einfach mal da sein, den eigenen Krempel einfach mal für eine Weile zurückstellen und uns einem Anderen wirklich widmen, ihm zuhören, ihn fühlen und sehen, ist eine der wohltuendsten und heilsamsten Erfahrungen, die wir erleben und schenken können.

 

Und dennoch ist es auch eine der herausforderndsten. Denn wir alle sehnen uns natürlich danach, selber gesehen, angenommen und geliebt zu werden. Kaum jemand hat als Kind vollkommen sättigend Zuneigung und Wohlwollen erfahren. Kaum jemand ist in jeder Hinsicht so umfassend geliebt worden, dass kein Mangel, kein unerfülltes Bedürfnis zurückgeblieben wäre.

 

Und so sind wir noch immer, wie die Kinder, die wir waren, bestrebt zu bekommen was wir brauchen. Wir fordern und streiten, wir kritisieren und fallen ins Wort, wir schreien und krakelen, um auf Teufel komm raus zu erzwingen, dass man uns sieht, dass man uns zuhört und versteht.

 

Und interessanterweise trifft es dabei diejenigen am härtesten, die wir lieben.

 

Ja, wir lieben diese Menschen wirklich, aber solange wir uns verhalten wie bockige Kinder, wird es uns höchstens gelingen, die Liebe aus unseren Beziehungen herauszupressen. Dann kann die Form, in der wir leben, noch so schön sein, aber sie hat dann keinen Inhalt mehr und damit keinen erlebbaren Wert und Sinn.

 

Wenn wir Liebe und Sinn in unserem Leben wollen, wird es Zeit, immer wieder über unsere Schatten zu springen, mit dem Jaulen und Jammern aufzuhören und liebevoll erwachsen zu werden.

 

Sich einem Anderen eine Weile wirklich zu widmen, ist nämlich nicht nur für den Anderen schön, auch für uns selber ist die Erfahrung liebevoll, wohlwollend und zugewandt sein zu können, unbeschreiblich heilsam, nährend und erweiternd.